Medizin

Sars-CoV-2 könnte einer schweren Grippewelle gleichkommen

  • Freitag, 14. Februar 2020
Berlin: Hayo Kroemer (l-r), Vorstandschef der Berliner Charité, Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, informieren über das neuartige Coronavirus 2019-nCoV. Bisherige Daten deuten darauf hin, dass die neue Lungenerkrankung Covid-19 in China ähnlich verläuft wie eine schwere Grippewelle. /picture alliance, Britta Pedersen
Berlin – Hayo Kroemer (l-r), Vorstandschef der Berliner Charité, Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, informieren über das neuartige Coronavirus 2019-nCoV. Bisherige Daten deuten darauf hin, dass die neue Lungenerkrankung Covid-19 in China ähnlich verläuft wie eine schwere Grippewelle. /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 wird voraussichtlich „wie eine schwere Grippewelle durch Deutschland laufen“. Das hat Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), gestern bei einer Pressekonferenz in Berlin betont. Wichtig sei, durch Ein­dämmungsmaßnahmen Zeit zu gewinnen, um die Erkrankungswelle von der saisona­len Grippe zu entkoppeln, die seit Januar bereits 60 Menschenleben ge­fordert habe.

Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, wies darauf hin, dass die Erkrankung Covid-19 sich bei den meisten Patienten nur in Form einer Er­kältung äußere. Dies konnte auch Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing bestätigen, der derzeit 8 der deutschen Coronapatienten behandelt, die sich bei einer chinesischen Geschäftsreisenden angesteckt hatten.

7 der 8 Patienten zeigten einen sehr milden Verlauf mit Husten und leichtem Fieber, be­richtete er. Nur bei einem Patienten hätten sich Zeichen einer Viruspneumonie gezeigt, doch auch dieser Patient sei nach medikamentöser antiviraler Behandlung auf dem Weg der Besserung und absolut stabil.

Dennoch geht Drosten davon aus, dass das neue Coronavirus Pandemiepotenzial hat – anders als das inzwischen sehr gut untersuchte Sars-Virus. Denn entgegen anfänglicher Vermutungen zeigen aktuelle Studien, dass sich Sars-CoV-2 in entscheidenden Fähig­kei­ten vom Sars-Virus unterscheidet: „Der große Vorteil von Sars war, dass die Patienten in der 1. Woche nach dem Onset bereits Symptome hatten, aber noch nicht stark infektiös waren.“

/youtube, Science Media Center Germany

Beim Coronavirus Sars-CoV-2 sei das anders. In Studien hätten Forscher gezeigt, dass auch symptom­freie beziehungsweise Patienten mit sehr gering ausgeprägter Symptoma­tik das Virus bereits übertragen würden. Drosten nennt es oligosymptomatisch, was be­reits über ein leichtes Kratzen im Hals definiert sein kann.

„Es macht außerdem einen Unterschied, ob das Virus wie bei Sars von Lunge zu Lunge, oder von Rachen zu Rachen, wie das Influenzavirus und Sars-CoV-2, übertragen wird“, berichtet der Berliner Virologe. Das neue Coronavirus repliziere sehr effizient im Hals, was den Infektionsweg deutlich verkürze im Vergleich zu Viren, die für eine Ansteckung erst die Lunge erreichen müssten.

Volle Arztpraxen, aber zu bewältigen

Auf die Frage, ob das deutsche Gesundheitssystem über ausreichend Kapazitäten verfüge, mit einer Sars-CoV-2-Pandemie umzugehen, verwies Wieler auf die Grippewelle 2017/ 2018. Schätzungen zufolge starben damals rund 25.100 Menschen in Deutschland – die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren.

Mit rund 10 Millionen Arztbesuchen sei 2017/2018 kein normaler Krankenhausbetrieb mehr möglich gewesen. Dennoch sei das System in der Lage gewesen, die Erkrankungs­welle zu managen, so der RKI-Präsident.

„Wir werden bei einer Infektionswelle volle Arztpraxen und Wartebereiche haben, es wird schwierig sein, die Normalversorgung aufrecht zu erhalten“, bestätigte Drosten. Doch auch dies werde nach ein paar Wochen wieder vorbei sein, sagte er.

Aus Sicht des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) ist Deutschlands Gesundheitswesen hingegen nicht ausreichend auf eine medizinische Notlage vorberei­tet, von der viele Menschen binnen kür­zes­ter Zeit betroffen sein könnten.

„Es ist nicht nur die in jedem Jahr mehr oder weniger heftig angelaufene Grippewelle, sondern es ist die Tatsache, dass Deutschland auf eine Pandemie nicht ausreichend vor­bereitet ist“, warnte VKD-Präsident Josef Düllings.

Er verwies darauf, dass in den vergangenen Jahren viele Krankenhäuser immer wieder Abteilungen geschlossen und Betten reduziert hätten und damit auch Reserven für Not­situationen gekappt worden seien. Nach dem Kapazitätsabbau der vergangenen Jahre gebe es inzwischen für eine ernste Situation nicht mehr genügend Reserven.

nec/EB

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