Ärzteschaft

Bundesärztekammer bemängelt Eilbedürftigkeit der Blutspendeänderungen

  • Mittwoch, 15. März 2023
/Vlad, stock.adobe.com
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Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) bemängelt das Vorgehen der Ampelkoalition bei den geplanten Ände­run­gen, die für eine Reform des Transfusionsgesetzes (TFG) angegangen werden sollen. SPD, Grüne und FDP wollen damit Lockerungen in Bezug auf die Blutspender vornehmen. Gestern ist bekannt geworden, dass die Koalition auch die bestehenden Altersgrenzen abschaffen will.

Die Spenderauswahl soll zukünftig auf Grundlage des individuellen Sexualverhal­tens der spendewilligen Person erfolgen; gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sollen nicht zulässig sein. Das gilt auch für die Nennung der sexuellen Identität, Orientierung oder Sexualpartner.

In einem neuen Entwurf ist nun auch vorgesehen, dass die Bundesärztekammer „die Feststellung der Höchst­­altersgrenzen für Erst- und Wiederholungsspender“ aufheben soll. Festgeschrieben werden soll stattdes­sen künftig eine individuelle Feststellung der Spendertauglichkeit nach ärztlicher Beurteilung. Beurtei­lungen für die Spendertauglichkeit sollen generell auch per Telemedizin vorgenommen werden können, sofern das me­di­zinisch vertretbar ist.

Derzeit gibt es eine Altersgrenze für Erstspender von 60 Jahren und für Wiederholungsspender von 68 Jah­ren. Die Neuregelung sei notwendig, um zu vermeiden, dass spendewillige Personen unnötigerweise von der Spen­­de ausgeschlossen würden, heißt es in der Begründung des Änderungsantrags der Ampelkoalition.

Es sollte auf Grundlage der Vorhaben in der Richtlinie Hämotherapie möglich sein, dass spendewillige Perso­nen, insbesondere auch Erstspender im Alter über 60 Jahre, regelmäßig zur Blutspende zugelassen werden können, wenn keine medizinischen Gründe entgegenstehen, schreiben SPD, Grüne und FDP.

Die Bundesärztekammer bemängelte heute die „vollkommen unzureichende Frist zur Stellungnahme“. Zudem seien wesentliche, mit Fragen der Blutspende betraute Institutionen und medizinische Fachgesellschaften nach Kenntnis der Bundesärztekammer nicht in den unter erheblicher Eilbedürftigkeit stehenden Beratungs­pro­zess zum UPD-Stiftungsgesetz eingebunden gewesen.

Die seit vorgestern vorliegenden Anträge waren zunächst formal zurückgezogen worden und wurden den Verbänden zur Stellungnahme gestern zugeschickt. Heute fanden dazu die abschließenden Beratungen im Gesundheits­aus­­schuss des Bundestags statt. Morgen soll das Gesetz für die Reform der Unabhängigen Pa­tientenberatung und andere Gesetze bereits in 2./3. Lesung im Bundestag verabschiedet werden.

„Aus Sicht der Bundesärztekammer ist nicht erkennbar, warum diese wesentlichen, die Sicherheit der Blutpro­dukte ebenso wie die Versorgungssicherheit der Bevölkerung betreffenden Fragestellungen nicht in einem regulären Verfahren unter Einbeziehung aller Beteiligten beraten werden können“, monierte die BÄK.

Kritik in der Sache

In der Sache merkte sie an, dass die neu aufgenommene Aufhebung der Altersgrenze für Blutspender eine differenzierte Betrachtung, auch im Hinblick auf die EU-rechtlichen Vorgaben und insbesondere die Sicherheit der Blut spendenden Person, erfordert.

„Den Ansatz, die Altersgrenze für Spenderinnen und Spender ohne vo­rangehende differenzierte Auseinander­set­zung mit der wissenschaftlichen Evidenz aufzuheben, kann die Bundesärztekammer nicht nachvollziehen“, heißt es dazu. Darüber hinaus sei in Einzelfällen bereits ein Abweichen von der Altersgrenze möglich.

Aus Sicht der BÄK erreicht die bestehende Richtlinie Hämotherapie die Ziele, die Bevölkerung gesichert und sicher mit Blutprodukten zu versorgen sowie Blut und Blutbestandteile sicher zu gewinnen. In der Stellung­nahme wird weiter darauf hingewiesen, dass die Behörden des Bundes und der Länder sowie das Bundesmi­nisterium für Gesundheit (BMG) in die Beratungen zur Richtlinie eng eingebunden seien.

Dass das Ministerium bemächtigt werden will, die Verordnungen selbst zu ändern, sieht die BÄK ebenfalls kritisch. Aus Gründen der Sicherheit der Patienten sei es evident, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten Grundlage von Richtlinien in der Medizin sein müssen, schreibt die BÄK. „Die Richtlinie Hämotherapie fasst den ermittelten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zusammen und empfiehlt die daraus abzulei­tenden Verfahrensweisen.“

Skeptisch ist die Kammer auch bei den Plänen, dass telemedizinische Untersuchungen bei der Blutspende möglich sein sollen. Man begrüße einen medizinisch sinnvollen Einsatz telemedizinischer Verfahren im Ge­sund­heitswesen. Die vorgesehene Erweiterung erweckten aber den Eindruck, dass eine Blutspende völlig ohne physische Präsenz einer Ärztin oder eines Arztes ermöglicht werden soll, heißt es.

Das sieht die BÄK mit Blick auf die Sicherheit der Blutspender nicht als vertretbar an. Schwerwiegende oder lebensbedrohliche Komplikationen im Rahmen einer Blutspende seien zwar sehr selten, aber niemals völlig auszuschließen.

„Es sollte deswegen klargestellt werden, dass durch den Einsatz von Telemedizin zum Beispiel bei größeren Blutspendeterminen die Anzahl der physisch vor Ort anwesenden Ärztinnen und Ärzte reduziert werden kann, ohne dass jedoch ein Blutspende-Termin ganz ohne ärztliche Anwesenheit durchgeführt werden darf.“

may

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