Canagliflozin: EMA prüft erhöhte Rate von Fußamputationen in Studie
London – Eine erhöhte Anzahl von Amputationen - vorwiegend der Zehen - in zwei laufenden Studien veranlasst die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Einleitung eines Risikobewertungsverfahrens. Vorsorglich und ohne Vorwegnahme eines Ergebnisses der Prüfung wird das medizinische Fachpersonal gebeten, auf eine sorgfältige Fußpflege ihrer Patienten zu achten. Einschränkungen in der Verordnung wurden nicht verfügt.
Das Sicherheitssignal ist in den Studien CANVAS und CANVAS-R („Canagliflozin cardiovascular assessment Study“) aufgetreten. Sie gehören zu den Endpunktstudien, in denen die Hersteller neu zugelassener Diabetesmedikamente belegen sollen, dass ihre Wirkstoffe langfristig das Auftreten von Folgekrankheiten des Diabetes senken (oder wenigstens nicht erhöhen).
CANVAS hat als Endpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen. CANVAS-R untersucht den Einfluss auf Nierenerkrankungen. In beiden Studien wurde jetzt ein Anstieg der Fußamputationen beobachtet. Dies war eine Überraschung, da Fußamputationen bislang nicht zu den Komplikationen von Diabetesmedikamenten zählen und in 12 anderen abgeschlossenen klinischen Studien mit Canagliflozin keine erhöhte Rate aufgetreten war.
Amputationen sind eine häufige Folge der Grunderkrankung, da eine Mikroangiopathie die Durchblutung in den Füßen vermindert. Dies begünstigt Infektionen, die infolge einer Neuropathie häufig zu spät erkannt werden. Eine Fußpflege ist bei Diabetikern deshalb obligatorisch. Nichtsdestotrotz machen die Signale eine Prüfung durch den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) erforderlich.
In der CANVAS-Studie kam es unter der Behandlung mit Canagliflozin unter der niedrigen Dosierung von 100 mg/die in 7 von 1.000 Patientenjahren zu Amputationen im Bereich der unteren Extremität. In der höheren Dosierung von 300 mg/die waren es 5 Amputationen auf 1.000 Patientenjahre und im Placebo-Arm 3 Amputationen auf 1.000 Patientenjahre. An der Studie nehmen rund 4.300 Patienten teil. Die Behandlungszeit betrug bisher im Mittel 4,5 Jahre.
In der CANVAS-R-Studie, in der es dem Prüfarzt überlassen bleibt, ob die Patienten in der Dosierung von 100 mg/die oder 300 mg/die behandelt werden, sind im Canagliflozin-Arm bisher 7 untere Amputationen auf 1.000 Patientenjahre aufgetreten, gegenüber 5 auf 1.000 Patientenjahre im Placebo-Arm. Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant. Die durchschnittliche Behandlungszeit der Patienten beträgt in dieser Studie bislang 0,75 Jahre.
Die EMA rät dazu, Patienten mit einem erhöhten Risiko auf eine Amputation (wie diejenigen, die eine vorherige Amputation gehabt haben) sorgfältig zu überwachen. Als Vorsichtsmaßnahme können Ärzte die Behandlung mit Canagliflozin bei den Patienten abbrechen, die erhebliche Komplikationen an den Füßen entwickeln.
Patienten sollten sich bei allen Fragen und Bedenken an ihren Arzt oder Apotheker wenden. Es sei wichtig, dass Patienten mit Diabetes ihre verschriebene Behandlung fortführen. Sie sollten die Medikamente keinesfalls absetzen, ohne vorher mit ihrem Arzt gesprochen zu haben.
Der PRAC will in einem ersten Schritt weitere Informationen bei dem Hersteller anfordern, um besser beurteilen zu können, ob Canagliflozin eine Zunahme der Amputationen der unteren Extremitäten verursacht und ob Änderungen im Hinblick auf die Anwendungsart und -weise des Arzneimittels in der EU erforderlich sind. Der PRAC will auch Daten für andere Arzneimittel der gleichen Klasse anfordern.
Canagliflozin gehört zu den Inhibitoren des Natrium-Glukose-Cotransporters 2 (SGLT2). Es verhindert die Rückresorption von Glukose in den Nieren und senkt dadurch die Blutzuckerspiegel. Neben Canagliflozin sind in Deutschland noch die beiden SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin zugelassen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: