Politik

Gesetzesinitiative: Gesundheits­ministerium will Ergebnisse des Pharmadialogs umsetzen

  • Montag, 11. Juli 2016
Uploaded: 11.07.2016 17:29:28 by maybaum
/dpa

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat zahlreiche Änderungen an be­stehenden gesetzlichen Regelungen vorgeschlagen, um die Ergebnisse aus dem Dia­log mit der pharmazeutischen Industrie umsetzen zu können. Einen Schwerpunkt bildet dabei der Kampf gegen die fortschreitende Entwicklung von Resistenzen bei Antibiotika.

Um einen zielgenauen Einsatz von Antibiotika zu fördern, sollen nach dem Willen des BMG die Regelungen zur Erstattung von diagnostischen Verfahren verbessert werden. Künftig soll der Bewertungsausschuss prüfen, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können und den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) entsprechend anpassen, heißt es in der Gesetzesinitiative, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

Außerdem soll der Gemeinsa­me Bundesausschuss (G-BA) bei der Nutzenbewertung von Antibiotika deren spezifische Resistenzsituation besser berücksichtigen können. Dassel­be soll für die Zuordnung von antimikrobiellen Wirkstoffen zu Festbetragsgruppen gelten. Arzneimittel, die als Reserveantibiotika für die Versorgung wichtig sind, können künftig von einer Eingruppierung freigestellt und somit zu einem höheren Preis verkauft werden.

Auch bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln für Kinder will das Ministerium den Pharmaunternehmen entgegenkommen. Künftig soll es möglich sein, dass auch für Pa­tientengruppen oder Teilindikationen ein Zusatznutzen ausgesprochen wird, die in kli­nischen Studien nicht oder nicht hinreichend vertreten waren und für die die Zulassung aufgrund eines Evidenztransfers ausgesprochen wurde. Voraussetzung ist, dass die Über­tragung der Evidenz nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zulässig und begründet ist.

In wenigen Ausnahmefällen soll es dem G-BA darüber hinaus möglich sein, auch für Arz­neimittel mit bekannten Wirkstoffen eine Nutzenbewertung zu veranlassen, und zwar dann, wenn die Zulassung für ein neues Anwendungsgebiet erfolgt, dass sich wesentlich von dem bisherigen unterscheidet.

Erstattungsbetrag bleibt geheim
Mit dem Verzicht auf eine Veröffentlichung des Erstattungsbetrags, auf den sich der GKV-Spitzenverband und die Pharmaunternehmen bei ihren Preisverhandlungen im Rah­men des Nutzenbewertungsverfahrens geeinigt haben, erfüllt das BMG ebenfalls eine Forderung der Pharmaindustrie. Diese fürchtet ansonsten negative Auswirkungen auf ihre internationale Preispolitik. Der Erstattungsbetrag soll nur denjenigen Stellen zur Verfügung stehen, die ihn „zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben in Deutschland benötigen“.

Um die sogenannten Mondpreise der Pharmaindustrie zu verhindern, sieht der Gesetzentwurf im Gegen­zug die Einführung einer Umsatzschwelle vor. Wird diese überschritten, gilt der Erstat­tungs­betrag rückwirkend ab dem Folgemonat. Offen lässt der Gesetzesvorschlag die Höhe des Schwellenwertes. Mehr Spielraum will das BMG dem GKV-Spitzenverband und den Pharmaunternehmen bei den Preisverhandlungen für Arzneimittel ohne Zusatz­nutzen einräumen.

Schärfere Sanktionen soll es künftig geben, wenn Unternehmen kein vollständiges Dos­sier für die Nutzenbewertung vorlegen. Dann müssen die Jahrestherapiekosten des be­troffenen Präparats unter denen der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen. Damit sich die Ergebnisse der Nutzenbewertung in den ärztlichen Verordnungen niederschla­gen können, sollen die Informationen darüber in die Praxisverwaltungssysteme integriert werden.

Neben der Umsetzung der Ergebnisse aus dem Pharmadialog enthält der Gesetz­entwurf des BMG weitere Änderungen. So soll das Honorar der Apotheker für Rezepturen und die Abgabe von Betäubungsmitteln erhöht werden, um deren Beratungsleistung ange­messen abzubilden.

Preismoratorium verlängert
Außerdem wird das Preismoratorium für die Pharmaunternehmen bis Ende 2022 ver­längert. Von 2018 an soll es jedoch für die Unternehmen einen Inflationsausgleich ge­ben. Dadurch rechnet das Ministerium mit Einsparungen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro.

Im Rahmen des Nutzenbewertungsverfahrens soll es künftig möglich sein, die Verord­nung von Arzneimitteln für Patientengruppen einzuschränken, für die ein Medikament keinen Zusatznutzen hat. Zudem sollen neue wissenschaftliche Daten vor Ablauf eines Jahres nach der Nutzenbewertung künftig besser berücksichtigt werden. Krankenhaus- und krankenhausversorgenden Apotheken soll es außerdem künftig in Einzelfällen erlaubt sein, in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel auf Vorrat zu bestellen. Die Überwachungsbehörden der Länder sähen im Fall einer Erweiterung der Importmöglich­keiten zwar die Gefahr einer Umgehung der Zulassungspflicht, heißt es in dem Gesetz­entwurf. Sie wiesen aber auch auf Fälle in Krankenhäusern hin, die einen umgehenden Therapiebeginn erforderten.

Am Pharmadialog waren neben den Ministerien für Gesundheit, Forschung und Wirt­schaft fünf Pharmaverbände sowie unter anderem Vertreter des G-BA und der Zulas­sungs­behörden beteiligt. Sie hatten 15 Monate lang über die Rahmenbedingungen der Arzneimittelversorgung sowie über den Forschungsstandort Deutschland diskutiert. Am 12. April waren die Ergebnisse von vier Treffen vorgestellt worden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatten.

HK

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