Arzneimittelgesetz: Industrie und Krankenkassen kritisieren Entwurf
Berlin – Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland und die Verbände der Arzneimittelindustrie sind mit dem Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung“ wenig zufrieden – allerdings aus entgegengesetzten Gründen. „Die Regelungen des neuen Gesetzes gehen nicht weit genug. Es fehlt insgesamt eine in die Zukunft gerichtete Strategie zum Umgang mit sehr hochpreisigen Arzneimitteln“, kritisierte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Kosten für neu eingeführte Arzneimittel zu begrenzen und sogenannte Mondpreise im ersten Jahr der Markteinführung zu verhindern. Übersteigt der Umsatz eines Arzneimittels, dem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Zusatznutzen bescheinigt hat, im ersten Jahr nach Zulassung den Wert von 250 Millionen Euro, soll rückwirkend ab diesem Zeitpunkt der zwischen Pharmaunternehmen und GKV-Spitzenverband verhandelte Erstattungsbetrag gelten. Bislang sind die Unternehmen im ersten Jahr nach der Markteinführung eines neuen Arzneimittels in ihrer Preisgestaltung frei.
„Das Vorhaben der Bundesregierung, den Umsatz, den Hersteller mit neuen Medikamenten im ersten Jahr der Zulassung machen, zu begrenzen, geht in die richtige Richtung“, sagte Elsner. Allerdings sei der vorgesehene Schwellenwert von 250 Millionen Euro „viel zu hoch angesetzt“, so die vdek-Vorstandsvorsitzende. So sieht es auch die Kaufmännische Krankenkasse KKH. Die vom Gesetzentwurf vorgesehene Regelung sei „ein äußerst halbherziger Versuch, die Mondpreise der Pharmaindustrie zu begrenzen“, sagte der KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit. Er forderte, den verhandelten Preis grundsätzlich rückwirkend vom ersten Tag an gelten zu lassen.
„Kontraproduktive Signale für den Standort Deutschland“, sieht dagegen der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) in der Umsatzschwelle, die ein erheblicher zusätzlicher Eingriff in einem „ohnehin durchregulierten Markt“ sei. Die im Gesetz geplante Verlängerung des sogenannten Preismoratoriums für Arzneimittel bis zum Jahr 2022 greift der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an.
Zur Erinnerung: Das Preismoratorium ist ein gesetzliches Instrument, damit die Industrie Preissteigerungen bestehender Präparate nicht zulasten der Krankenkassen und sonstigen Kostenträger abrechnen kann. Danach steht den Krankenkassen und sonstigen Kostenträgern seit dem 1. August 2010 ein Preisabschlag in der Höhe zu, in der ein Hersteller den Abgabepreis eines Arzneimittels über den Preisstand vom 1. August 2009 erhöht.
„Das faktische Einfrieren auf dem Preisstand vom 1. August 2009 für einen derart langen Zeitraum wird nicht für eine bessere und schon gar nicht für eine sichere Arzneimittelversorgung sorgen“, hieß es aus dem BPI. Angesichts der in den letzten Jahren historisch guten Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Verlängerung des Preismoratoriums „nicht akzeptabel“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des BPI, Martin Zentgraf.
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