Chirurgen fordern mehr Zeit für das Patientengespräch

Berlin – Ärzte müssen sich mehr Zeit für das Gespräch mit ihren Patienten nehmen. Dies forderte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Gabriele Schackert, heute vor Journalisten in Berlin. „Wir haben zahlreiche technische Möglichkeiten, Operationen durchzuführen, die es früher nicht gab“, sagte sie. „Wir müssen uns aber fragen, ob alles, was wir technisch umsetzen können, auch für unsere Patienten einen Vorteil bringt.“ Es sei sehr wichtig herauszufinden, was der Patient wolle. Dabei stehe die Medizin im Spannungsfeld zwischen Lebenserhalt und Lebensqualität.
Was für den einzelnen Patienten die richtige Therapie sei, könne man nur in einem persönlichen Gespräch erfahren. „Dafür fehlt uns aber heute die Zeit“, kritisierte Schackert. „Das ist ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit, der in den letzten Jahren verlorengegangen ist.“ Die Vorgaben des DRG-Systems machten es schwer, der Interaktion mit dem Patienten den notwendigen Raum zu geben. „Das ist aber ein ganz zentrales Thema“, so Schackert. „Darauf sollten wir uns besinnen.“
Zudem kritisierte sie die Mengenausweitung bei Wirbelsäulenoperationen: „Die Zahl der Wirbelsäulenoperationen hat in der letzten Zeit zugenommen. Versteifungen können vielleicht kurzfristig helfen, aber gerade bei jungen Leuten sind sie oft nicht gut.“ Denn die Wirbelsäule lebe von der Bewegung, und mittelfristig könne es nach einer Operation zu Problemen kommen. „Wir Chirurgen müssen selbst Rechenschaft ablegen über das, was wir tun“, betonte Schackert und schloss mit der Forderung: „Man sollte die Patienten so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Wenn man das beherzigt, fällt Vieles fort, was uns heute an Zwängen auferlegt wird.“
Der Generalsekretär der DGCH, Hans-Joachim Meyer, wies dabei auf die Grenze hin, die die Partizipation der Patienten bei der Therapie habe. „Es ist gut, den Patienten in die therapeutische Entscheidung mit einzubeziehen. Das machen wir ohnehin schon, das ist nichts Neues“, sagte Meyer. „Aber die Partizipation hat ihre Grenzen. Es hat eben seinen Grund, dass Ärzte sechs Jahre studieren und im Anschluss ihren Facharzt machen. Das Wissen, das sie dabei gewinnen, kann man sich nicht nebenbei aus dem Computer holen.“
Meyer kritisierte den Fokus auf das Thema Qualität, den die Bundesregierung im Krankenhausstrukturgesetz gelegt hat: „Ich kann das Wort Qualitätsoffensive nicht mehr hören. Denn Qualitätsmängel sind in realiter überhaupt nicht vorhanden.“ In seinem Krankenhaus hätten sie schon lange Register geführt, um Informationen über das Langzeitüberleben der Patienten zu erhalten. „Natürlich ist es notwendig, ein solches Wissen zu generieren. Nur so zu tun, als gebe es auf diesem Gebiet noch gar nichts, ist nicht richtig.“
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