Chronisches Schleudertrauma: Kurze Beratung und Physiotherapie gleichwertig

Sydney – Eine intensive 12-wöchige Physiotherapie, kombiniert mit einer kognitiven Verhaltenstherapie, hat in einer Vergleichsstudie im Lancet (2014; doi: 10.1016/S0140-6736(14)60457-8) die Beschwerden von Patienten mit chronischem Schleudertrauma nicht besser gelindert als eine einstündige Beratung.
Ein Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule kann so schmerzhaft sein, dass die Patienten nicht von der Harmlosigkeit der Beschwerden zu überzeugen sind. Dies gilt vor allem für die Fälle, in denen die Schmerzen auch nach drei Monaten nicht nachlassen. Dann droht eine Chronifizierung, zu der auch eine Vermeidungshaltung der Patienten beitragen kann.
Für diese Patienten hat Zoe Michaleff vom George Institute for Global Health in Sydney zusammen mit ausgewiesenen Experten der Erkrankung ein spezielles Therapieprogramm entwickelt. Es umfasste neben einer intensiven Physiotherapie mit langsamem Aufbautraining auch eine kognitive Verhaltenstherapie, die die Schmerzerwartung der Patienten abbauen sollte. Über 12 Wochen wurden den Patienten insgesamt 20 Therapiesitzungen angeboten.
Das intensive Therapieprogramm wurde in einer randomisierten Studie an 172 Patienten mit chronischem Schleudertrauma mit einer einstündigen Kurzberatung verglichen, in denen den Patienten ein Selbsthilferatgeber kurz erläutert und ausgehändigt wurde. Diese Sparversion der Physiotherapie erzielte, wie Michaleff am Ende verwundert feststellen musste, fast die gleiche Wirkung wie die maßgeschneiderte Kombination aus Physio- und Psychotherapie: Bei den drei Untersuchungen nach 14 Wochen, 6 Monaten und 12 Monaten gab es keine Unterschiede, weder im primären Endpunkt Schmerz noch in zahlreichen sekundären Endpunkten zur Beweglichkeit der Halswirbelsäule, den Einschränkungen im Alltagsleben und der Lebensqualität. Für Michaleff ist es deshalb zweifelhaft, ob die umfangreichen Angebote, die auch in Deutschland von Unfallversicherern, Spezialambulanzen und Schmerzkliniken gemacht werden, ihr Geld wert sind.
In der Publikation ist auch erkenntlich, dass es in beiden Gruppen über den Verlauf der Studie zu einer langsamen aber stetigen Verbesserung des Beschwerdebildes kam. Die Erholungszeit dürfte allerdings länger dauern, da die meisten Patienten am Ende der Studie noch unter starken Beschwerden litten. Sie erklären die langen Krankschreibungen, zu denen ein chronisches Schleudertrauma führen kann. Im letzten Jahr war eine britische Studie mit einem speziellen Physiotherapieprogramm für Patienten mit akutem Schleudertrauma ebenfalls gescheitert. Eine einfache Beratung hatte auch dort die gleiche – sehr begrenzte – Wirkung erzielt.
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