Contergangeschädigte erhalten pro Jahr 120 Millionen Euro zusätzlich
Berlin – Der Bundestag hat gestern dem „Dritten Änderungsgesetz zum Conterganstiftungsgesetz“ zugestimmt. Damit werden den etwa 2.700 in Deutschland lebenden contergangeschädigten Menschen 120 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt. Mit 90 Millionen Euro werden die monatlichen Renten der Betroffenen, rückwirkend zum 1. Januar 2013, von bislang maximal 1.152 auf maximal 6.912 Euro angehoben.
Weitere 30 Millionen fließen in einen Hilfsfonds, aus dem Heil- und Hilfsmittel bezahlt werden, wenn deren Kosten von keiner anderen Stelle übernommen werden. Dabei geht es unter anderem um die Finanzierung von speziellen Rollstühlen oder Schmerztherapien.
Anlass für die Verbesserungen sind die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, bei dem das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg die Lebensqualität und den Bedarf Contergangeschädigter erstmals wissenschaftlich analysiert hat. Das Ergebnis: Den contergangeschädigten Frauen und Männern in Deutschland geht es schlecht.
„Die vorgeburtlichen Schädigungen haben sich in einer Art verschlimmert, dass wir gesundheitliche Belastungen, Schmerzen und funktionelle Einbußen beobachten müssen“, hatte Andreas Kruse, Direktor des Instituts, bei einer Anhörung vor dem Familienausschuss des Bundestages am 1. Februar erklärt. Hinzu kämen Folgeschäden, die zu schweren Einbußen der funktionellen Kompetenz und zu Schmerzzuständen führten, sowie Spätschäden beispielsweise des Zentralnervensystems und der inneren Organe.
Stiftungsrat der Conterganstiftung muss zukünftig öffentlich tagen
Mit dem Gesetz wird auch festgelegt, dass der Stiftungsrat der Conterganstiftung, der die Leistungen an die contergangeschädigten Menschen verteilt, künftig prinzipiell öffentlich tagen muss – außer wenn es zum Beispiel um vertrauliche Informationen oder den Schutz personenbezogener Daten geht. Während der Anhörung hatten Vertreter von Betroffenenverbänden mehr Transparenz bei den Sitzungen der Stiftung eingefordert.
„Mit dem Gesetz stellen wir eine angemessene Unterstützung der Conterganopfer sicher“, erklärten die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, und der zuständige Berichterstatter, Thomas Jarzombek. „Unser oberstes Ziel war es, den contergangeschädigten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“ Aufgrund der Spätfolgen der Schädigung seien die Betroffenen im Alltag immer häufiger auf Hilfen angewiesen. „Angehörige sind damit überlastet. Die Erhöhung der Maximalrenten gibt den Contergangeschädigten ein Stück Unabhängigkeit“, so die Unionspolitiker.
Zum Erstaunen vieler sei der massiven Unterversorgung der Geschädigten in nur wenigen Wochen noch vor Ablauf der Legislaturperiode ein Ende gemacht worden, sagte der Vorsitzende des Contergannetzwerks Deutschland, Christian Stürmer. „Wir sind den Abgeordneten für ihre rasche Arbeit sehr dankbar, denn die Betroffenen brauchen das Geld.“
Die Conterganstiftung begrüßte ebenfalls Bundestagsbeschluss zur Erhöhung der Renten für die Betroffenen einhellig begrüßt. Die Lebenssituation Contergangeschädigter werde dadurch „deutlich verbessert”, erklärte die Conterganstiftung am Freitag in Köln. Vor allem Schwerstgeschädigte profitierten von der Staffelung der Renten.
Margit Hudelmaier vom Bundesverband Contergangeschädigter sprach von einem „positiven Signal” und einem „weiteren Schritt in die richtige Richtung”. „Mit der Rentenerhöhung können die Menschen ein Stück weit selbstbestimmter leben”, sagte sie. In den kommenden Jahren müsse sich aber zeigen, inwieweit die zusätzlichen Gelder etwa für spezielle Heilbehandlungen tatsächlich ausreichten.
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