Corona: Intensivmediziner in großer Sorge

Weimar – Der Blick auf die Coronasituation im Herbst bereitet Intensivmedizinern auch mit Blick auf jüngere Patienten große Sorgen. „Die Situation ist jetzt gut beherrschbar, aber wir bereiten uns auf eine größere vierte Welle vor“, sagte gestern der Hamburger Intensivmediziner und Präsidiumsmitglied der DIVI, Stefan Kluge. Es sei klar, dass es zu einem Anstieg der Intensivpatienten komme. „Wir sind in hoher Sorge.“
Kluge warnte, dass es auch bei Jüngeren, die sich nun vermehrt ansteckten, schwere Verläufe gebe. Auf der Intensivstation seien diese ähnlich wie bei älteren Patienten. „Die Jüngeren überleben halt länger.“ Es gebe Patienten, die teils über Monate an der künstlichen Lunge hingen – dadurch verschiebe sich teils das Sterbedatum nach hinten.
Genährt werde die Sorge vor einer heftigen vierten Coronawelle unter anderem durch den stockenden Impffortschritt in Deutschland. Rund 90 Prozent der Intensivpatienten in Deutschland seien ungeimpft, betonte Kluge. Es gebe eben auch Impfdurchbrüche, etwa bei Patienten mit schweren Vorerkrankungen oder Immunschwächen, begründete Kluge die restlichen zehn Prozent.
Aber letztlich sei der weitere Verlauf der Impfkampagne ausschlaggebend dafür, wie heftig die vierte Welle werde. Sorge mache ihm etwa, dass rund 20 Prozent der Über 70-Jährigen noch ungeimpft seien.
Im Vergleich zu anderen Ländern seien in Deutschland auch weniger Menschen genesen und somit durch eine Infektion immunisiert, sagte Kluge weiter. Dazu komme die generell sinkende Zahl an verfügbaren Intensivbetten: „Wir haben eine Flucht aus dem Pflegeberuf, und das verschärft die Situation weiter.“
Aktuell seien 1.348 Intensivpatienten mit COVID-19 im DIVI-Register verzeichnet und damit 25 mehr als am Vortag, sagte Kluge. Das sei weniger als zum Höhepunkt der Coronapandemie. Aber: „Alle Modellierer und Modelle zeigen, dass die Zahl der COVID-19-Patienten ansteigen wird.“
Dass die Delta-Variante des Coronavirus in etlichen Ländern wieder für vollere Intensivstationen sorgt, zeigte sich auch auf dem Weimarer Sepsis-Kongress, an dem Kluge neben Hunderten anderen Experten teilnahm.
Etliche Kollegen aus Ländern wie Serbien und Rumänien könnten jedoch nicht teilnehmen, weil sie sich um ihre Patienten kümmern müssen, sagte Organisator Frank Brunkhorst von der Deutschen Sepsisgesellschaft. In diesen Ländern gebe es aktuell einen „COVID-19-Peak“.
„Wir müssen schnell zu validen Ergebnissen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit kommen“, sagte Brunkhorst zur aktuellen Forschung. Dabei gehe es auch darum, nicht nur teure Antikörperpräparate zu erforschen, sondern auch billige und leicht verfügbare Therapien zu testen. „Wir wollen Therapien, die sich andere Länder auch leisten können.“ Als Beispiel nannte er etwa eine Behandlung mit Cortison.
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