Ärzteschaft

Coronakrise: Amtsärzte blicken skeptisch auf Vertagung weiterer Beschlüsse

  • Dienstag, 17. November 2020
/picture alliance, Waltraud Grubitzsch
/picture alliance, Waltraud Grubitzsch

Berlin – Die deutschen Amtsärzte sind mit der Vertagung konkreter Beschlüsse von Bund und Ländern in der Coronakrise auf die kommende Woche unzufrieden. Sie könne einer­seits nachvollziehen, „dass man versucht, mit Appellen weiterzukommen“, sagte die Vor­sitzende des Bundesverbandes der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, Ute Teichert, im WDR. „Aber andererseits steht tatsächlich den Gesundheitsämtern das Wasser bis zum Hals.“

„Wir schaffen es nicht mehr, die Kontaktpersonen nachzuverfolgen“, sagte Teichert zur Lage der Gesundheitsämter. „Von daher wären einheitliche Beschlüsse für uns sehr hilf­reich gewesen.“ Teichert verwies insbesondere auf die Schulen. „Viele Lehrer und auch Eltern sind sehr verunsichert“, sagte sie. „Hier wären klare Regeln gut gewesen, wie wir sie in anderen Bereichen ja auch schon haben.“

Der Bund war gestern in das Gespräch mit den Ländern zunächst mit dem Vorschlag ge­gangen, eine generelle Maskenpflicht in der Schule auch während des Unterrichts einzu­führen und Klassen zu teilen, um mehr Abstand zu ermöglichen. Die Länder lehnten dies aber vorerst ab.

Scharfe Kritik an der Bund-Länder-Runde äußerte auch der Vorsitzende des Weltärzte­bundes, Frank Ulrich Montgomery. „Was wir dort erleben als Showdown von Eitelkeiten, hilft niemandem“, sagte er im SWR. Es brauche eine Einigkeit aller Demokraten und aller Menschen, die wirklich an der Gesundheit der Bevölkerung interessiert seien.

Ziel müsse es jetzt sein, auf das „wichtigste Pfund“ zu setzen, nämlich die Bevölkerung mitzunehmen, forderte der Ärztefunktionär. „Was soll denn ein einfacher Bürger noch denken, wenn sich diese Damen und Herren streiten und sich auf nichts Vernünftiges einigen können.“

Montgomery betonte zugleich die Eigenverantwortung der Bürger. „Wir müssen vor allem Kontakte einschränken. Und das geht nur, wenn die Bevölkerung das selbst macht“, sagte er. „Wir können nicht überall einen Polizisten hinstellen.“ Es bedürfe eines nationalen An­satzes, um die Menschen zu überzeugen. Das gelinge aber nur, wenn sich die Politik in ihrer Meinung einig sei.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert die Ergebnisse aus den Beratungen. „Es war eine verlorene Gelegenheit“, sagte Lauterbach im Deutschlandfunk. Man verspiele mit dem Aufschub wertvolle Zeit. Die Beschlussvorlage sei vielversprechend gewesen, sagte der SPD-Politiker. Davon sei nur leider das meiste nicht beschlossen worden. Die Ergebnisse seien weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Bund und Länder hatten ihre Entscheidung über das weitere Vorgehen in der Pandemie gestern auf kommende Woche verschoben. Merkel sagte am Abend nach einer mehrstün­digen Videokonferenz, die Länder hätten sich mehrheitlich gegen zusätzliche Rechtsän­de­rungen zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Am 25. November soll es weitere Bera­tungen geben.

afp/dpa

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