Pandemie: Vorsichtiger Optimismus beim RKI

Berlin – Der leicht abgebremste Anstieg der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hat beim Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, vorsichtigen Optimismus geweckt. Die Lage sei allerdings weiter sehr ernst und die Bevölkerung habe es im Griff, dass sie sich nicht weiter dramatisiere.
Wieler ist nach eigenen Worten „vorsichtig optimistisch“ hinsichtlich der weiteren Entwicklung. „Die Kurve flacht sich ab.“ Es sei aber noch nicht klar, ob dies eine stabile Entwicklung sei.
Denn derzeit könne man nicht bewerten, ob die neu gemeldeten Zahlen sich wegen weniger Infektionstätigkeit in der Bevölkerung oder wegen fehlender Testmaterialien so entwickle, betonte auch die Leiterin des RKI-Krisenstabes Ute Rexroth. Es müsse Ziel bleiben, die Zahl der Infektionen so stark wie möglich zu senken. „Wir sind nicht machtlos“, so Wieler.
Allerdings nehme das Infektionsgeschehen immer noch praktisch in ganz Deutschland zu. Es seien nicht mehr nur einzelne Hotspots, sondern ein diffuses Geschehen, das in allen Landkreisen stattfinde. Auch die Zahl der schweren Verläufe und der Intensivpatienten werde weiter steigen, ebenso die Zahl der Todesfälle.
Fast 22.000 Neuinfektionen
Das RKI hatte heute Morgen fast 22.000 Neuinfektionen gemeldet. Wie das Institut unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden 21.866 neue Ansteckungsfälle an einem Tag erfasst. Dies waren rund 3.400 Neuinfektionen mehr als am Vortag, als knapp 18.500 neue Fälle gemeldet worden waren.
Die Zahl der Todesfälle stieg gegenüber dem Vortag um 215. Die Bundesweite 7-Tage-Inzidenz liege derzeit bei 139 je 100.000 Einwohner. Das RKI geht davon aus, dass Deutschland bald die Zahl von 500.000 Menschen mit überstandenen Infektionen überschreitet.
Wieler sagte, es müsse auch damit gerechnet werden, dass Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen stießen. Die deutschen Krankenhäuser berichten laut RKI derzeit zunehmend über Engpässe. Fast die Hälfte der Kliniken melde derzeit eine eingeschränkte Verfügbarkeit, sagte Wieler. Als Hauptgrund nannte er Engpässe beim Personal.
„Es kommt zunehmend zu Einschränkungen des Betriebs aufgrund des Personalmangels.“ Auch mit Blick auf die Situation in den Krankenhäusern sei es wichtig, die Zahl der Neuinfektionen auf ein deutlich niedrigeres Niveau zu bringen. „Wir müssen hier noch ein paar Monate wirklich die Pobacken zusammenkneifen“, mahnte Wieler zur Disziplin.
An die Schulen appellierte er, die vorliegenden Hygienekonzepte konsequent umzusetzen. Mittlerweile seien auch bei den 10- bis 19-Jährigen hohe Infektionszahlen erreicht worden. Man sehe selbst bei Jüngeren inzwischen eine steigende Rate der Hospitalisierung, die man beobachten müsse.
Konsequente Hygienekonzepte gelten ebenso für andere Orte – so sie denn im Dezember wieder öffnen können. Auch hier müssten die Konzepte nicht nur ausgedacht, sondern auch umgesetzt und sanktioniert werden.
Wieler warnte vor Vergleichen zu anderen Ländern im Umgang mit der Pandemie, sieht dennoch Zeichen dafür, wie man es nicht machen sollte. So berichtete er, dass in Großbritannien die Restaurants nach Schließungen in der ersten Welle der Pandemie ihre Kunden mit Sonderangeboten gelockt hätten – mit einem gewissen Zeitverzug seien die Infektionszahlen wieder in die Höhe geschossen.
Auch in Schweden sehe man, dass durch die Rückkehr der Universitäten zum Regelbetrieb die Zahlen wieder gestiegen seien. „Nicht, weil diese kein Hygienekonzept hatten, sondern weil die Studenten auch ein soziales Leben haben“, so Wieler.
Im Vergleich zu Japan, „das die Pandemie hervorragend meistert“, müsse man beachten, dass dort "gesellschaftlich die Sorge weiter verbreitet ist, jemand anderem zu schaden oder anzustecken.“ Die Menschen, so Wieler, reagierten in jedem Land anders und dies müsse man bei Vergleichen der Länder berücksichtigen.
Wielers vorsichtigen Optimismus teilte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Jetzt sieht man, wie es sich abflacht", sagte Merkel in einer Onlinediskussion mit Auszubildenden zur Entwicklung der Infektionskurve. Es sei aber mehr notwendig – „jetzt müssen wir runterkommen". Ziel sei es, die Rate von bis zu 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu erreichen.
Bundesgesundheitsminister Spahn sagte im Rundfunk Berlin-Brandenburg, Veranstaltungen mit mehr als zehn oder 15 Menschen sehe er in diesem Winter nicht mehr. Selbst wenn die Infektionszahlen sänken, bedeute das nicht, dass ab Dezember oder Januar Weihnachts- oder Hochzeitsfeiern stattfinden könnten, „als wäre nichts gewesen“.
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