Coronakrise: Bund will Ländern Vorlage zur Auffrischimpfung vorlegen

Berlin – Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will allen Bürgern ungeachtet ihres Alters eine Auffrischimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ermöglichen. Das sieht ein Entwurf von Spahns Ministerium für eine bevorstehende Gesundheitsministerkonferenz mit den Ländern vor.
Die Auffrischimpfung solle „grundsätzlich allen Personen angeboten werden, die diese nach Ablauf von sechs Monaten nach Abschluss der ersten Impfserie wünschen“, heißt es in dem Entwurf, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Für Personen, die eine Grundimmunisierung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson erhalten haben, soll eine Auffrischimpfung schon nach sechs Wochen möglich sein.
Die Auffrischimpfungen könnten „im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und nach ärztlicher Beurteilung und Entscheidung“ erfolgen. Schwerpunktmäßig sollten diese Impfungen besonders gefährdeten Menschen angeboten werden – „wobei vor allem Alten- und Pflegeheime in den Fokus zu nehmen“ seien.
Nach Spahns Vorstellungen sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder sowie die an der Impfkampagne beteiligten Ärzte aktiv über die Empfehlung und das Angebot von Auffrischimpfungen informieren.
Die Länder sollten insbesondere „alle über 60-jährigen Bürgerinnen und Bürger über die Empfehlung zur Auffrischimpfung informieren“. Die Vorlage aus dem Ministerium bekräftigt zudem Spahns Forderung, dass die Länder die Impfzentren für die Auffrischimpfungen „wieder aktivieren“.
Das Papier sieht auch vor, dass die Länder die Impfzentren, die auf Basis der geltenden Impfverordnung in den vom Bund mitfinanzierten Stand-by-Modus übergegangen seien, wieder aktiviert werden sollen, heißt es in dem Papier. Dort sollten ebenfalls Auffrischimpfungen angeboten werden.
Aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hieß es dazu, dass man „nie daran gedacht“ habe, die Impfzentren komplett zu schließen. „Vielmehr haben sich die Länder dazu verpflichtet, einen flexiblen Stand-by-Betrieb zu organisieren“, erklärte ein Sprecher.
Er verweist auf einen Beschluss der Länder von Juni. Darin heißt es wörtlich: „Die Länder stellen durch tragfähige Rückfall- und Notfalloptionen sicher, dass die Impfkapazitäten bedarfsgerecht in kurzer Zeit wieder hochgefahren werden können.“
Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sehen die erneute Aktivierung von Impfzentren skeptisch. Eine Reaktivierung der Impfzentren der Bundesländer sei weder nötig, noch sinnvoll, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Nötig seien aber geordnete Einladungsverfahren der Länder zu den Impfungen sowie flexiblere Möglichkeiten für Praxen beim Bestellen von Impfstoff und bei der Handhabung größerer Impfstoff-Vials.
Die Hausärzte seien die richtige Adresse für die Boosterimpfungen, sagte Weigeldt. „Wir wissen, wer von unseren Patienten dran ist und bei wem eine Auffrischung Sinn macht“, betonte er. „Dazu ist das Hausarztmodell mit Kosten von 20 Euro pro Impfung deutlich günstiger als ein Impfzentrum.“
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, sieht hingegen auch gute Beispiele dafür, dass Impfzentren in einigen Regionen weiter betrieben werden sollten. Impfzentren könnten für alle diejenigen eine Hilfe sein, die eine individuelle Beratung benötigten.
„Angesichts der vielen Infektionskrankheiten, die derzeit in den Praxen versorgt werden müssen, können Zentren da eine Hilfe sein“, sagte Reinhardt am Rande des Deutschen Ärztetages. Er sei schon im Sommer dafür gewesen, dass nicht alle Zentren geschlossen werden sollten.
Die Vizepräsidentin der BÄK, Ellen Lundershausen, plädierte für Impfstellen in einigen Landkreisen. In größeren Städten könnten die niedergelassenen Ärzte die Impfungen gemeinsam organisieren, auf dem Land könne es sein, dass dies nicht leistbar sei. Da müsse von Region zu Region entschieden werden.
Bei der Organisation der Auffrischimpfungen stelle sich auch die Frage nach den Menschen, die sich um ältere Menschen sowie auch Kinder kümmerten, so Lundershausen. An diese Gruppe müsse man auch denken, wenn man über Auffrischungen spreche.
BÄK-Präsident Reinhardt sprach sich auch dafür aus, dass Politik und ärztliche Organisationen mit einer Sprache sprechen sollten. Es benötige klare Ansagen und keine ständigen unterschiedliche Angaben, sagte Reinhardt.
Für Pflegeeinrichtungen sieht die Vorlage ein strenges Testregime vor – für Personal und Besucher. Im Herbst und Winter 2021/2022 solle das Personal – unabhängig vom Impfstatus – obligatorisch zwei Mal pro Woche auf das Coronavirus getestet werden.
Besucher müssten „ebenfalls unabhängig vom Impfstatus ein negatives Testergebnis vorweisen“, das nicht älter als 24 Stunden sein dürfe. Die Umsetzung dieser Vorgaben in Pflegeeinrichtungen solle von den zuständigen Aufsichtsbehörden „engmaschig“ überprüft werden.
Zur Begründung der Maßnahmen weist Spahns Ministerium auf die rasante Zunahme der Neuinfektionen in fast allen Altersgruppen hin. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegten die höhere Schutzwirkung von Auffrischimpfungen durch die Optimierung der Grundimmunität vor einer COVID-19-Infektion.
„Sollte es dennoch zu einer Infektion kommen, bieten sie einen hervorragenden Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf und führen gleichzeitig zu einer niedrigeren Virenlast und damit zu einer geringen Infektiosität.“
Nach Angaben des Ministeriums werden inzwischen „bis zu über 100.000 Auffrischimpfungen täglich verabreicht“. Die Gesundheitsministerkonferenz ist für Ende der Woche anvisiert. Die Vorlage aus dem Ministerium ist auf Freitag datiert.
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