Covax-Übersicht: Arme Länder erhalten nur Bruchteil der weltweit verfügbaren Impfdosen

Genf – Die Impfallianz Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunisation) hat einen ersten Überblick veröffentlicht, mit wie viel Impfstoff welche Länder im ersten und zweiten Quartal aus der von ihr geleiteten weltweiten COVID-19-Impfinitiative Covax rechnen können. Covax soll den mittlerweile 192 Mitgliedern ermöglichen, das Risiko der Impfstoffbeschaffung gemeinsam zu tragen und auch ärmeren Ländern Zugriff verschaffen.
Vorerst geht es dabei laut einer Veröffentlichung von Gavi von gestern um eine Menge von rund 377 Millionen Impfdosen – für 145 Länder, die Interesse angemeldet haben. Bis Ende dieses Jahres sollen es mehr als zwei Milliarden sein. Die Bundesrepublik, die allein über EU-Verträge mehr als 400 Millionen Impfdosen erhält, hatte bereits im vergangenen Jahr erklärt, auf Anteile auf dem Covax-Pool verzichten zu wollen.
Die zunächst unverbindliche Liste soll auch den Ländern, die bisher noch nicht mit dem Impfen beginnen konnten, weil ihre finanziellen Mittel für die Beschaffung der teils teuren Vakzinen im großen Stil nicht ausreichen, ermöglichen, eigene Impfkampagnen zu planen.
Mithilfe 94 reicherer Nationen, Staatenverbünde, Stiftungen und Privatsepnder, darunter auch die EU und die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung, hatte Covax bis Ende 2020 rund zwei Milliarden US-Dollar gesammelt.
92 Länder sollen kostenlose Impfdosen erhalten
Mit dem Geld sollen laut Gavi eine Milliarde Impfdosen für 92 Länder, die laut der ebenfalls an Covax beteiligten Weltgesundheitsorganisation (WHO) über ein niedriges oder mittleres Einkommen verfügen, finanziert werden. Für die Aufstockung des Impfportfolios werden im laufenden Jahr laut Gavi noch weitere fünf Milliarden US-Dollar benötigt.
Auch die übrigen Covax-Mitglieder können auf den Impfstoff-Pool zugreifen, sie müssen die Impfstoffdosen dann jedoch aus eigener Tasche finanzieren. So sind unter den aktuellen Interessenten laut dem Papier auch reiche Nationen wie Kanada, Neuseeland, Saudi-Arabien und Singapur.
Der Impfstoff von Biontech/Pfizer ist bislang der einzige, der eine Notfallzulassung von der WHO erhalten hat, die ebenfalls an Covax beteiligt ist. Im ersten Quartal 2021 rechnet Gavi laut dem Papier mit 1,2 Millionen Impfdosen des Herstellers, im zweiten Quartal mit zusätzlichen 40 Millionen.
Astrazeneca erteilt indischem Hersteller Lizenz
Mit dem Hersteller Astrazeneca, dessen Impfstoff sich derzeit bei der WHO im Zulassungsprozess befindet, ist den Vertretern der Covax-Allianz eine Kooperation geglückt, die eine Belieferung auch bisher benachteiligter Regionen langfristig verbessern dürfte.
Über eine Lizensierung darf nun auch der indische Hersteller Serum Institute of India den Astrazeneca-Impfstoff herstellen. Aus dieser Zusammenarbeit sollen Covax 240 Millionen Impfdosen zustehen, weitere 96 Millionen Impfdosen will das britisch-schwedische Unternehmen selbst beisteuern.
Welche Länder bei den ersten Lieferungen Ende Februar wie viel Impfstoff erhalten, entschieden die Covax-Vertreter der Veröffentlichung zufolge basierend auf mehreren Faktoren. Etwa, inwieweit die anspruchsvollen Transport- und Lagerbedingungen des Biontech-Impfstoffs erfüllt werden können und wie hoch das derzeitige Risiko der Mitarbeiter der Gesundheitssysteme in den jeweiligen Ländern ist.
Auch europäische Länder unter den Interessenten
Länder, die bisher noch gar nicht mit dem Impfen beginnen konnten, wurden bevorzugt behandelt, heißt es in dem Papier. Bei den Selbstzahlern sei zudem berücksichtigt worden, ob die zur Verfügung stehenden Impfstoffe in dem finanziellen Rahmen liegen, den die Länder selbst als machbar angegeben haben.
Die mit Abstand größte Menge enthält laut dem Papier Indien mit über 97 Millionen Impfdosen. Im zweitbevölkerungsreichsten Land der Welt leben derzeit rund 1,3 Milliarden Menschen. Es folgen Pakistan mit rund 17 Millionen Dosen, Nigeria mit 16 Millionen, Indonesien mit knapp 14 Millionen sowie Bangladesch mit knapp 13 Millionen und Brasilien mit knapp elf Millionen Impfdosen.
Mit fast zwei Milliarden Impfdosen gehört auch Nordkorea laut der Liste zu den Empfängerländern, die einen Antrag auf Impfstofflieferungen gestellt haben – obwohl es in dem Land nach eigenen Angaben keine Corona-Fälle gibt. Experten zweifeln diese Aussage allerdings an, da China, wo das Virus sich zuerst großflächig ausgebreitet hatte, in direkter nachbarschaft liegt und Nordkoreas derzeit einziger Handelspartner ist.
Wer von den Empfängern Selbstzahler ist, wird auf der von Covax veröffentlichten Übersicht nicht kenntlich gemacht. Auch viele europäische Länder sind unter den Empfängern, darunter etwa Albanien, Bosnien Herzigovina, Georgien, Serbien, Monaco oder der Kosova. EU-Mitglieder finden sich hingegen nicht auf der Liste. Den knappen Biontech-Impfstoff erhalten der Liste zufolge vorerst nur 18 der insgesamt 145 Empfänger-Länder.
Erst heute gab China bekannt, zusätzlich zehn Millionen Impfdosen der in China entwickelten Impfstoffe für Covax zur Verfügung stellen zu wollen. Wie das chinesische Außenministerium gestern in Peking berichtete, soll damit zur Deckung des dringenden Bedarfs in Entwicklungsländern beigetragen werden.
Die WHO prüfe noch die Genehmigung des chinesischen Impfstoffes für den Noteinsatz. „Wir hoffen, dass die WHO den Prüfungsprozess so schnell wie möglich abschließt“, sagte ein Außenamtssprecher. China hoffe, dass auch andere Länder die globale Impfstoffinitiative unterstützen, um den Entwicklungsländern zu helfen, zeitnah Impfstoffe zu bekommen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: