Medizin

COVID-19: Auswirkungen auf die Lebenserwartung in Osteuropa größer als im Westen

  • Dienstag, 18. Oktober 2022
/Hyejin Kang, stock.adobe.com
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Rostock – Der Rückgang der Periodenlebenserwartung, mit der Demografen kurzfristige Schwankungen der Mortalität beschreiben, hat in vielen osteuropäischen Ländern auch im zweiten Jahr der Pandemie angehal­ten. In Westeuropa kam es einer Analyse in Nature Human Behaviour zufolge (2022; DOI: 10.1038/s41562-022-01450-3) zu einer gewissen Erholung.

COVID-19 hat im Jahr 2021 unterschiedliche Auswirkungen auf die Periodenlebenserwartung gehabt. Auf der einen Seite ist Norwegen, wo es 2020 nur zu einem leichten Einbruch der Periodenlebenserwartung um 0,3 Monate gekommen war, der 2021 mit einer Zunahme um 2,0 Monate mehr als wieder wett gemacht wurde. Damit ist die Periodenlebenserwartung trotz fortdauernder Pandemie um insgesamt 1,7 Monate gestiegen.

Das andere Extrem in Europa ist Bulgarien. Nach den von Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demo­grafische Forschung in Rostock und Mitarbeitern veröffentlichten Zahlen sank die Periodenlebenserwartung im Jahr 2021 um 25,1 Monate und damit noch deutlicher als in 2020, als 17,8 Monate verloren gingen.

Das macht zusammen 43 Monate oder 3,6 Jahre. Ein Grund ist die niedrigste Impfquote aller untersuchten Länder. Dies allein erklärt Schöley zufolge die neuerlichen Ungleichheiten bei der Lebenserwartung zwischen Ost- und Westeuropa allerdings nicht. Auch die Unterschiede im Gesundheitssystem und den allgemeinen Lebensumständen haben nach Ansicht des Demo­grafen eine Rolle gespielt.

Bulgarien ist unter den ehemaligen Ostblockstaaten allerdings nicht allein. Die Slowakei verlor in den beiden ersten Pandemiejahren 33,1 Monate, Polen 26,6 Monate, Litauen 25,7 Monate, Ungarn 24,6 Monate, Estland 23,2 Monate, Tschechien 21,9 Monate und Kroatien 21,0 Monate. Die einzige Ausnahme ist Slowenien. Dort war die Periodenlebenserwartung 2020 um 10,4 Monate gefallen. Im Jahr 2021 stieg sie wieder um 3,1 Mo­na­te an.

Neben Slowenien ist es auch in zahlreichen westeuropäischen Ländern zu einer Erholung gekommen. Am deutlichsten fiel sie in Belgien (+10,8 Monate), der Schweiz (+7,7 Monate) und Spanien (+7,6 Monate) aus. In diesen Ländern war die Perioden-Lebenserwartung 2020 deutlich eingebrochen, 2021 normalisierte sich sich wieder. Schöley führt dies darauf zurück, dass ein Anstieg der Sterbefälle bei den unter 60-Jährigen vermieden werden konnte.

In Deutschland waren die Verluste in beiden Pandemiejahren im internationalen Vergleich mit insgesamt 5,7 Monaten moderat. Allerdings stieg der Verlust 2021 mit 3,1 Monaten stärker an als 2020, als 2,6 Monate verloren gingen.

Eine Übersicht seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt, dass neben den beiden Weltkriegen vor allem die Grippeepidemien immer wieder zu Einbrüchen führten. Am stärksten war der Rückgang der Periodenlebens­erwartung während der Spanischen Grippe im Jahr 1918.

Auch nach 1945 haben die saisonalen Grippeepidemien immer wieder zu leichten Rückgängen geführt. Sie fielen jedoch deutlich geringer aus als die Verluste durch die COVID-19-Pandemie der vergangenen beiden Jahre.

rme

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