COVID-19: ECDC betrachtet XBB.1.5-Linie mit Mutation F456L als „variant of interest“

Stockholm – Die für den Herbst erwartete nächste Welle von COVID-19 könnte durch Omikronvarianten mit einer Mutation ausgelöst werden, die Durchbruchinfektionen erleichtert. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang des Monats EG.5 zur „variant of interest“ erklärt hat, erwartet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) für Europa eine Zunahme von XBB.1.5-Varianten. Beide Omikron-Varianten enthalten die Immunescape-Mutation F456L.
Die Mutation F456L befindet sich in der Rezeptorbindungsstelle des Spike-Proteins, und nach ersten Labortests kann sie die Bindung der meisten XBB.1.5-neutralisierenden Antikörper verringern oder völlig verhindern. Dies ermöglicht Infektionen von Personen, die sich schon einmal mit SARS-CoV-2 einschließlich der Omikronvariante infiziert haben.
In den vergangenen Wochen ist es in den EU-/EWR-Ländern zu einem Anstieg des Anteils der Mutation F456L an den positiven Proben gekommen, und es gibt Anzeichen für eine Zunahme der Infektionszahlen. Die ECDC sehen jedoch keine Hinweise für eine Zunahme von schweren Infektionen oder gar eine Überlastung des Gesundheitswesens, weshalb die XBB.1.5-Variante derzeit nur eine „variant of interest“ (VOI) und keine „variant of concern (VOC) ist.
COVID-19 wird derzeit weltweit wieder häufiger diagnostiziert. In Japan berichteten die Medien am 4. August, dass die Fälle von COVID-19 im Vergleich zur Vorwoche um 14 % zugenommen hätten. Dieser Anstieg wurde bereits die 17. Woche in Folge beobachtet. Die Krankenhauseinweisungen stiegen im Vergleich zur Vorwoche um rund 16 %.
In Südkorea berichteten die Medien am 16. August 2023, dass die Zahl der COVID-19-Erkrankungen in der siebten Woche in Folge zugenommen habe, die Wachstumsrate habe sich jedoch von einem Höchststand von 35,8 % in den letzten drei Wochen auf 0,8 % im Jahr verlangsamt.
In Großbritannien berichten Medien und Regierung, dass die Fallzahlen und Krankenhauseinweisungen seit Anfang Juli 2023 ansteigen. Die wöchentlichen COVID-19-Krankenhauseinweisungen hätten sich vor dem 4. August im Vergleich zu vier Wochen zuvor mehr als verdoppelt (1.802 versus 721).
Die wöchentlichen Hospitalisierungen liegen damit weit unter den Höchstständen im vergangenen Winter (8.075 vor dem 23. Dezember 2022). Es gebe auch keine Hinweise auf einen Anstieg der Todesfälle. Laut der Gesundheitsbehörde UKHSA machte EG.5.1 zwischen 10 % und 17 % der Fälle aus und ist der zweithäufigste Stamm im Vereinigten Königreich.
In den USA ist es laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Sommer zu einem leichten Anstieg der Krankenhauseinweisungen (um 14 % in der Woche bis zum 5. August), der Testpositivitätsraten und der Besuche in der Notaufnahme gekommen.
Die CDC erklärten, dass es in den vergangenen drei Sommern ebenfalls zu einem Anstieg der Fälle gekommen sei, sodass die aktuelle Situation nicht unerwartet sei. Todesfälle an COVID-19 seien jedoch nach wie vor selten. EG.5 ist in den USA die am häufigsten entdeckte Variante (17,3 % nach Nowcasting-Schätzungen für die Woche bis zum 5. August 2023).
In den neun EU-/EWR-Ländern, die für die Woche 29 (17. Juli bis 23. Juli 2023) mindestens 10 Sequenzen an die Datenbank GISAID EpiCoV gemeldet haben, ist der Anteil der XBB.1.5-ähnlichen F456L-Linien tendenziell steigend.
In Dänemark betrug der Anteil in der Woche 29 (17. bis 27. Juli) 41 %, in Frankreich 42 %, in Island 59 %, in Irland 47 %, in Italien 10 %, in Portugal 60 %, in Spanien 34 % und in Schweden 24 %. In Deutschland waren es 10 % der gemeldeten Sequenzen.
Insgesamt ist die Zahl der Übertragungen von SARS-CoV-2 in den vergangenen Wochen leicht angestiegen, allerdings ausgehend von den im Sommer sehr niedrigen Werten. In einigen Ländern wurde über eine zunehmende Häufigkeit von Atemwegserkrankungen bei Patienten berichtet, die sich bei Sentinel-Allgemeinärzten vorstellten, zusammen mit einem erhöhten Anteil positiver Tests auf SARS-CoV-2 in diesem Umfeld.
Darüber hinaus beobachtete die Hälfte der 18 Länder, die altersspezifische Zahlen melden, einen Anstieg der COVID-19-Fälle bei Menschen im Alter von über 65 Jahren.
Keines der vier Länder, die Daten zur Überwachung schwerer akuter Atemwegsinfektionen (SARI) bis Woche 31 übermittelten, verzeichnete steigende oder erhöhte Raten von SARI-Krankenhauseinweisungen. Vier Länder verzeichneten steigende Sterberaten in den Altersgruppen 65 bis 79 Jahre und 80 Jahre und älter.
Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung raten die meisten Länder Risikopersonen zur Impfung. Dies sind ältere Erwachsene, Personen mit Vorerkrankungen oder Abwehrschwächen, schwangere Frauen und medizinisches Personal.
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