COVID-19: Interferon lambda halbiert Hospitalisierungsrate von Risikopatienten

Hamilton/Ontario – Die einmalige subkutane Injektion einer pegylierten und damit in der Halbwertzeit verlängerten Form von Interferon lambda hat in einer randomisierten Studie die Zahl der Hospitalisierungen von Risikopatienten in der Frühphase von COVID-19 halbiert.
Die Ergebnisse, die bereits im letzten Jahr bekannt gegeben worden waren, wurden jetzt im New England Journal of Medicine (2023; 388: 518-528, DOI: 10.1056/NEJMoa2209760) publiziert. Die Arzneimittelagenturen in den USA (FDA) und Europa (EMA) haben in einer anderen Indikation eine beschleunigte Zulassung in Aussicht gestellt.
Interferone sind ein wichtiger Bestandteil des angeborenen Immunsystems, das eine erste Abwehrlinie gegen Virusinfektionen bildet. Eine Behandlung mit Interferonen kann die Immunabwehr stärken.
Der klinische Einsatz von Interferon wurde in der Vergangenheit durch zahlreiche Nebenwirkungen begrenzt, außerdem ist die Wirksamkeit, da sie auf die Mitarbeit der körpereigenen Immunabwehr angewiesen ist, unsicher. In der Behandlung der Hepatitis C, wo Alpha-Interferone lange das Standardmedikament waren, werden heute die besser verträglichen und in der Wirkung zuverlässigeren direkt wirkenden Virustatika bevorzugt.
Der Hersteller Eiger BioPharmaceuticals aus Palo Alto in Kalifornien hat in den vergangenen Jahren ein Interferon lambda-Präparat entwickelt, das besser verträglich ist als Alpha-Interferone. In einer pegylierten Form bleibt es im Körper über längere Zeit wirksam.
Die angestrebte Indikation ist die Hepatitis D, wo es noch therapeutische Lücken gibt. Das Mittel könnte aber auch gegen andere Viren eingesetzt werden. In Tierexperimenten wurde eine Wirkung gegen Influenza-Viren, Noroviren, Rotaviren und Metapneumovirus gefunden.
Das Präparat wurde in der TOGETHER-Studie zusammen mit anderen ungewöhnlichen Therapieansätzen wie den Antidepressiva Fluvoxamin oder Fluoxetin oder dem inhalativen Budesonid klinisch getestet. Die Studie wurde überwiegend in Brasilien durchgeführt.
Zwischen dem 24. Juni 2021 und dem 7. Februar 2022 wurden 1.951 Patienten auf eine einzelne subkutane Injektion von Interferon lambda oder Placebo randomisiert. Zentrales Einschlusskriterium war eine nachgewiesene symptomatische Infektion mit SARS-CoV-2, deren Beginn nicht länger als 7 Tage zurückliegen durfte (59,4 % der Patienten wurden sogar innerhalb von 3 Tagen behandelt).
Die Patienten hatten einen oder mehrere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Dies waren am häufigsten ein Alter von über 50 Jahren (38,6 %), eine Adipositas (36,9 %) oder eine arterielle Hypertonie (29,8 %). Die meisten Teilnehmer waren bereits gegen COVID-19 geimpft (49,3 % mit 2 Dosierungen).
Die Studienphase deckte mehrere Wellen der Epidemie ab, in denen Alpha/Gamma, Delta und Omikron (BA.1) die vorherrschenden Varianten waren. Der primäre kombinierte Endpunkt war eine Hospitalisierung oder der Besuch einer Notaufnahme, wo die Patienten über mindestens 6 Stunden unter Beobachtung gestanden haben mussten.
Nach den jetzt von einem Team um Gilmar Reis von der McMaster University in Hamilton/Ontario vorgestellten Ergebnissen trat der primäre Endpunkt in der Interferon-Gruppe bei 25 von 931 Patienten (2,7 %) auf gegenüber 57 von 1.018 Patienten (5,6 %) in der Placebo-Gruppe – ein Unterschied von 51 % (relatives Risiko 0,49; 95-%-Kredibilitätsintervall nach Bayes von 0,30 bis 0,76). Der Vorteil bestand sowohl bei geimpften als auch bei ungeimpften Patienten. Er war während der Omikron-Welle ausgeprägter als nach Infektionen mit Delta oder Alpha/Gamma.
Die Vorteile waren auch in den sekundären Endpunkten konsistent, einschließlich der Zeit bis Hospitalisierung wegen COVID-19 (Hazard Ratio 0,57; 0,33 bis 0,95) oder einem COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthalt oder Tod (Hazard Ratio 0,59; 0,35 bis 0,97). Die Behandlung mit Interferon lambda ging auch mit einem rascheren Rückgang der Viruslast einher.
Die Verträglichkeit des pegylierten Interferon lambda war im Vergleich zu anderen Interferon-Präparaten erstaunlich gut. Laut der Publikation kam es nicht häufiger zu Nebenwirkungen als in der Placebogruppe. Peginterferon lambda dürfte damit auch für die Behandlung anderer viraler Infektionen interessant sein.
Laut Hersteller wurde das Präparat bisher in 28 klinischen Studien zur Behandlung von Hepatitis B, C und D und COVID-19 an mehr als 4.000 Patienten erprobt. Zugelassen ist Peginterferon lambda bisher in keiner Indikation. Der Hersteller hat jedoch von der FDA und der EMA einen „Orphan Drug“-Status zur Behandlung der Hepatitis D erhalten.
Die FDA stuft es auch als mögliche „Breakthrough Therapy“ ein, was eine beschleunigte Zulassung bei der Hepatitis D verspricht. Ob der Lizenznehmer Bristol-Myers Squibb die Daten der TOGETHER-Studie nutzen will, um eine Zulassung für COVID-19 zu erzielen, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor.
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