Medizin

COVID-19: Molnupiravir ohne Vorteil hinsichtlich Mortalität und Hospitalisierung bei Geimpften

  • Freitag, 23. Dezember 2022
/troyanphoto, stock.adobe.com
/troyanphoto, stock.adobe.com

Oxford − Der antivirale Wirkstoff Molnupiravir konnte verglichen mit einer herkömmlichen Behandlung weder die Gesamtmortalität noch die Zahl der Krankenhausaufenthalte bei mehrheitlich geimpften Personen mit COVID-19 und einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf senken. Das ergab eine Analyse der PANORAMIC-Studie, die im Lancet (2022, DOI: 10.1016/S0140-6736(22)02597-1) erschienen ist.

Allerdings erholten sich Betroffene unter einer Molnupiravirtherapie schneller. An der Untersuchung hatten mehr als 25.000 ambulant behandelte Patientinnen und Patienten mit COVID-19-Symptomen teilgenommen.

Bei der Studie PANORAMIC (Platform Adaptive trial of NOvel antiviRals for eArly treatMent of COVID-19 In the Community) handelt es sich um eine nationale, multizentrische, oben-label, prospektive, Plattformstudie, in der Therapien für COVID-19-Frühstadien wie Molnupiravir oder Nirmatrelvir/Ritonavir evaluiert werden und die aktuell weiter läuft.

Bislang gibt es kaum Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Molnupiravir in einer geimpften Allgemeinbevölkerung mit einem erhöhten COVID-19-verursachten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Daher untersuchte eine Arbeitsgruppe um die Studienleiter Christopher Butler und Richard Hobbs, beide vom Nuffield Department of Primary Care Health Sciences, University of Oxford, dies erstmals in einer großen geimpften Population.

Mehr als 90 % der Teilnehmenden mit mindestens 3 COVID-19-Impfungen

Voraussetzungen für den Einschluss in die Studie waren keine stationäre Behandlung, Alter ab 50 oder ab 18 Jahren, wenn relevante Komorbiditäten bestanden, sowie COVID-19-Symptome, die nicht länger als 5 Tage vor Studieneintritt bestanden. Zudem musste ein positiver Polymerasekettenreaktions- oder Antigenschnelltest auf SARS-CoV-2 vorliegen, der nicht älter als 7 Tage war.

Die Teilnehmenden wurden randomisiert zu einer Therapie mit Molnupiravir plus herkömmlicher Versorgung (n=12.529) oder nur zu einer herkömmlichen Versorgung (n=12.525). Das Durchschnittsalter betrug 56,6 Jahre und 94 % hatten mindestens 3 Dosen einer COVID-19-Impfung erhalten.

Die Patientinnen und Patienten der Molnupiravir-Gruppe nahmen den Wirkstoff in einer Dosierung von 800 mg 2-mal täglich für 5 Tage ein. Alle Teilnehmenden füllten täglich einen Online-Fragebogen zu ihren Symptomen über einen Zeitraum von 28 Tagen nach der Randomisierung aus.

Schnellere Erholung unter Molnupiravir

Der primäre Endpunkt der Studie setzte sich zusammen aus Gesamtmortalität und Zahl der Krankenhausaufenthalte jedweder Ursache innerhalb von 28 Tagen nach der Randomisierung. In der Molnupiravir-Gruppe trat ein solches Ereignis bei 105 (1 %) und in der Vergleichsgruppe bei 98 (1 %) Teilnehmenden auf (angepasste Odds Ratio [aOR] 1,06; 95 % bayessches Kredibilitätsintervall [BCI] 0,81-1,41; Wahrscheinlichkeit der Überlegenheit 0,33).

Die mediane Zeit bis zur ersten selbstberichteten Erholung lag bei 9 Tagen im Molnupiravir-Arm (n=12.403) und bei 15 Tagen im Vergleichsarm (n=12.140) (geschätzter Nutzen 4,2 Tage; 95-%-BCI 3,8-4,6; Wahrscheinlichkeit der Überlegenheit > 0,99). Personen unter Molnupiravir suchten zudem seltener eine Allgemeinmedizinerin oder einen Allgemeinmediziner auf: 20 versus 24 % (aOR 0,77; 95-%-BCI 0,73-0,82; Wahrscheinlichkeit der Überlegenheit > 0,99).

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse kamen in beiden Gruppen ähnlich häufig vor: bei 0,4 % (50 von 12.774) unter Molnupiravir und bei 0,3 % (45 von 12.934) unter der herkömmlichen Therapie.

„Die erste Analyse der PANORAMIC-Studie zeigt, dass die Mehrheit der Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko für COVID-19-bedingte schwere Folgen von Molnupiravir lediglich hinsichtlich einer Symptombesserung profitierte“, schlussfolgert Hobbs. Die insgesamt geringe Rate an schweren COVID-19-Folgen weise zudem darauf hin, wie wichtig die COVID-19-Impfung ist.

COVID-19-Impfungen schützen vor schweren Folgen

Eine ähnliche Sichtweise vertritt auch Martin Landray, Medicine & Epidemiology, Oxford Population Health, University of Oxford: Diese Studie zeige, „dass das Risiko, in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden oder zu sterben, im Umfeld einer weit verbreiteten Impfung sehr gering ist.“

Die Autoren schreiben weiterhin, dass sie keine Subgruppe identifizieren konnten, die womöglich von einer Molnupiravir-Therapie profitiere. Allerdings erholten sich die Teilnehmenden mit Molnupiravir-Therapie gegenüber denjenigen ohne Molnupiravir-Therapie schneller und seien auch seltener bei ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin gewesen.

Laut Landray müsse hierbei allerdings berücksichtigt werden, dass es sich um eine Open-label-Studie handelt. Die Teilnehmenden wussten, ob sie Molnupiravir einnahmen oder nicht. „Während sich dieses Wissen auf Folgen wie Krankenhausaufenthalt und Tod nicht auswirkt, können wir nicht sagen, ob oder inwieweit es die selbstberichteten symptomatischen Ergebnisse beeinflusst hat.“

Butler betont, dass die Suche nach wirksamen und sicheren COVID-19-Frühtherapien für die Allgemeinbevölkerung die nächste große Herausforderung im Kampf gegen die weltweite Pandemie sei. Gerade in dieser Population würden sich Therapien enorm auswirken.

Daher seien Erkenntnisse aus Studien, an denen Personen teilnehmen, denen diese Medikamente verschrieben werden würden, so wichtig. Sie bildeten die Grundlage für die Therapieentscheidungen. „Die im Rahmen der PANORAMIC-Studie gewonnenen Erkenntnisse zu Molnupiravir werden die Therapieentscheidungen für COVID-19 weltweit beeinflussen,“ so Butler.

aks

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung