Medizin

COVID-19: Studie findet erneut keinen Wirkungsbeleg für Ivermectin

  • Montag, 21. Februar 2022
/Alexey Novikov, stock.adobe.com
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Ipoh/Malaysia und Boston – Das Antiparasitikum Ivermectin, das trotz fehlender Wirkungsnachweise wegen seiner geringen Kosten in ressourcenarmen Ländern noch immer gegen COVID-19 eingesetzt wird, hat in einer randomisierten Studie aus Malaysia keinerlei Wirkung erzielt, wie eine JAMA Internal Medicine (2022; DOI: 10.1001/jamainternmed.2022.0189) publizierte Studie zeigt.

Im gleichen Journal (2022; DOI: 10.1001/jamainternmed.2022.020) berichten Mediziner, dass das Mittel in den USA vor allem in den Hochburgen der Republikaner verordnet wurde.

Ivermectin gehört neben Hydroxychloroquin zu den „Wundermitteln“ gegen COVID-19, die zu Beginn der Pandemie aufgrund von vorläufigen Studienergebnissen sehr populär waren. Die Beliebtheit hielt auch an, als die ersten ernüchternden klinischen Ergebnisse eintrafen, was aber von den Anhängern ausge­blendet wurde. Diese waren in den USA häufiger in konservativen Kreisen anzutreffen. Die US-Arznei­mittel­behörde FDA sah sich im März 2020 trotz fehlender Wirkungsbelege sogar veranlasst, Hydroxy­chloroquin eine Notfallzulassung zu erteilen, die 3 Monate später im Juni wieder zurückgezogen wurde.

Die Verordnungen von Hydroxychloroquin gingen dann in den USA wieder zurück – jedoch nicht überall. Wie Michael Barnett von der T.H. Chan School of Public Health in Boston und Mitarbeiter jetzt zeigen, wurde Hydroxychloroquin in den US-Staaten, in denen die Republikaner in der Wählergunst vorne liegen, weiterhin häufig verordnet. Im Quartil der US-Counties mit den besten Ergebnissen der Republi­kaner kam es bis Dezember sogar zu einem deutlichen Anstieg, obwohl es aus medizinischer Sicht keinen Grund gab, das Malaria- und Rheumamittel gegen COVID-19 einzusetzen.

Ivermectin war in den USA niemals zugelassen. Doch eine Anfang April 2020 veröffentlichte in vitro-Studie lenkte die Aufmerksamkeit der Medien auf den Wirkstoff, der bei verschiedenen Parasitenerkran­kungen in der Tier- und Humanmedizin eingesetzt wird.

Die US-National Institutes of Health rieten zwar Anfang August 2020 davon ab, Ivermectin zur Behand­lung von COVID-19 einzusetzen. Als dann aber am 13. November in einer wie sich bald herausstellte fehlerhaften Studie eine Wirkung beschrieben wurde, schnellten die Verordnungszahlen in die Höhe und zwar wie bei Hydroxychloroquin vor allem in den Hochburgen der Republikaner. Gefördert wurden die Verordnungen noch durch eine Sitzung des Senatsausschusses vom 8. Dezember 2020, wo ein Arzt aus persönlicher Überzeugung die Verwendung befürwortete, was für viele konservativ denkende Menschen offenbar schwerer wiegt, als abstrakte Daten aus klinischen Studien.

Ivermectin wurde auch in zahlreichen ressourenarmen Ländern eingesetzt, was sich durch 2 Negativ­studien aus Lateinamerika (EPIC und IVERCOR-COVID19) nicht änderte. Jetzt liegen die Ergebnisse einer weiteren randomisierten Studie vor, in denen das Antiparasitikum die Erwartungen nicht erfüllte.

An der I-TECH-Studie nahmen an 20 Zentren in Malaysia 490 Patienten teil, die im Durchschnitt 5,1 Tage unter leichten bis mittelschweren COVID-19-Symptomen (WHO-Skala 2 oder 3) litten. Die Patienten wurden auf eine Standardbehandlung mit symptomatischer Therapie oder auf eine zusätzliche Behand­lung mit Ivermectin randomisiert.

Wie Steven Lim vom Raja Permaisuri Bainun Hospital in Ipoh in der Provinz Perak und Mitarbeiter berichten, kam es in der Ivermectingruppe bei 52 von 241 Patienten (21,6 %) zur Notwendigkeit einer Sauerstoffbehandlung, um eine Sauerstoffsättigung von 95 % aufrechtzuerhalten. In der Kontrollgruppe trat dieser primäre Endpunkt der Studie bei 43 von 249 Patienten (17,3 %) auf. Lim ermittelt ein relatives Risiko auf eine schwere Erkrankung von 1,25, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,87 bis 1,80 nicht signifikant war.

Nur etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer (51,8 %) war vollständig gegen COVID-19 geimpft. Unter den vollständig geimpften Patienten entwickelten in der Ivermectin-Gruppe 17,7 % und in der Kontroll­gruppe 9,2 % eine schwere Erkrankung (relatives Risiko 1,92; 0,99-3,71).

Auch in den sekundären Endpunkten war kein Vorteil für die Ivermectingruppe sicher nachweisbar, auch wenn die Ergebnisse tendenziell besser waren: Eine mechanische Beatmung erfolgte bei 4 (1,7 %) gegen­über 10 Patienten (4,0 %) in der Kontrollgruppe (relatives Risiko 0,41; 0,13-1,30). Eine Verlegung auf die Intensivstation wurde bei 6 Patienten (2,4 %) versus 8 Patienten (3,2 %) notwendig (relatives Risiko 0,78; 0,27-2,20) und die 28-Tage-Sterberate im Krankenhaus war mit 1,2 % versus 4,0 % ebenfalls tendenziell niedriger (relatives Risiko 0,31; 0,09-1,11).

Diese Ergebnisse rechtfertigen nach Ansicht von Lim jedoch nicht den Einsatz von Ivermectin, auch wenn die Verträglichkeit in der Regel gut war. Die häufigste Nebenwirkung war Durchfall, der in der Ivermectingruppe von 5,8 % und in der Kontrollgruppe von 1,6 % der Patienten angegeben wurde.

Ob die Negativergebnisse die Ärzte in den ressourcenarmen Ländern überzeugen werden, bleibt abzu­warten. Fest steht, dass Remdesivir und die neueren oralen Virostatika (Molnupiravir und Nirmatrelvir/Ritonavir) zunächst aus Kostengründen nicht zur Behandlung zur Verfügung stehen dürften.

rme

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