COVID-19: WHO-Leitlinie rät von Colchicin und Fluvoxamin ab

Genf – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich gegen den Einsatz von Colchicin oder Fluvoxamin zur Behandlung von leichteren Erkrankungen mit COVID-19 ausgesprochen.
Vom Einsatz des Gichtmittels Colchicin rät die aktuelle 11. Version der „living guideline“ wegen eines fehlenden Nutzens bei möglicher Toxizität eindeutig ab. Fluvoxamin könnte laut der Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2022; DOI: 10.1136/bmj.m3379) einen Stellenwert im Rahmen klinischer Studien haben.
Das Antidepressivum Fluvoxamin und das Gichtmedikament Colchicin waren in den vergangenen Monaten als mögliche kostengünstige Medikamente für leichtere Erkrankungen in der Diskussion. Doch nach Ansicht des WHO-Teams um Francois Lamontagne von der Université de Sherbrooke in Kanada und Miriam Stegemann von der Berliner Charité in Berlin ist eine Wirksamkeit beider Medikamente nicht belegt.
Das Urteil zu Colchicin beruht auf 13 Studien mit 18.172 Patienten. Die systematische Übersicht ergab, dass das Gichtmittel, das den Verlauf durch eine antientzündliche Wirkung günstig beeinflussen soll, in den Studien nur einen tendenziellen Rückgang der Mortalität (Odds Ratio OR 0,84; 0,50 bis 1,17) erzielte, und auch das Risiko einer mechanischen Beatmung (OR 0,75; 0,37-1,26) nicht eindeutig gesenkt wurde.
Auch ein Einfluss auf die Krankenhauseinweisungen war selbst bei Patienten mit dem höchstem Risiko (OR 0,68; 0,27-1,57) nicht sicher nachweisbar. Der absolute Nutzen wäre zudem klinisch kaum relevant. Hinzu kommt, dass die Qualität der Evidenz nach Ansicht der Autoren allenfalls moderat wäre. Dem gegenüber stand das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen, die zum Absetzen des Arzneimittels zwingen könnten. Auch hier war die Evidenz gering.
Allerdings wäre der absolute Anteil der Patienten, die durch die Behandlung einen Nachteil hätten, deutlich höher als die möglichen Vorteile. Unter dem Strich gibt es keinen Grund, Patienten mit COVID-19 mit Colchicin zu behandeln.
Das Urteil zu Fluvoxamin fällt etwas milder aus, auch wenn es für die antientzündliche Wirkung des SSRI-Antidepressivums keine sicheren Belege aus tierexperimentellen Studien gibt. Die Metaanalyse beruht hier auf 3 Studien mit 2.208 Patienten mit leichtem COVID-19 in ambulanten Einrichtungen.
Fluvoxamin erzielte wie Colchicin in keinem der Endpunkte eine statistisch signifikante Wirkung, weder bei der Verringerung der Krankenhauseinweisungen (OR 0,70; 0,34-1,23 ), noch bei der Sterblichkeit (OR 0,68; 0,33-1,32) oder der Notwendigkeit einer Beatmung (OR 0,73; 0,38-1,40).
Wenn Fluvoxamin allerdings eine Wirksamkeit hätte, dann könnte der Nutzen mit 10 weniger Hospitalisierungen pro 1.000 Patienten relevant sein. Bei Patienten mit einem hohen Risiko könnte es sogar zu 17 und bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko zu 28 weniger Ereignissen pro 1.000 Patienten kommen.
Dies erklärt, warum es aus Sicht der WHO-Experten durchaus Gründe für weitere Studien gibt, zumal die Verträglichkeit unproblematischer sein dürfte als die von Colchicin, auch wenn die bisher durchgeführten Studien keine Einschätzung zu der Frage ermöglichen, wie häufig es bei COVID-19 zu Komplikationen kommen könnte. Bei Patienten mit Depressionen haben sich SSRI allerdings als sicher erwiesen.
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