Medizin

COVID-19: Koinfektion mit Influenza könnte zu milderem Verlauf führen

  • Mittwoch, 13. Juli 2022
/REDPIXEL, stock.adobe.com
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New York – Koinfektionen von COVID-19 und Grippe-Viren könnten eine geringere Bedrohung sein als be­fürchtet. Experimentelle Studien im Journal of Virology (2022; DOI: 10.1128/jvi.00765-22) zeigen, dass die Interferon-Reaktion nach einer Infektion mit Influenza-Viren auch über das Ende der Grippesymptome hinaus die Replikation von SARS-CoV-2 bremst. In die andere Richtung scheint diese virale Interferenz nicht zu funk­tionieren.

In den vergangenen Wochen ist es infolge der neuen Omikron-Varianten nicht nur zu einem Anstieg von CO­VID-19 gekommen. Mit dem Ende der Maskenpflicht haben auch andere Atemwegsinfektionen durch Adenovi­ren, das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) oder Influenza-Viren zugenommen.

Mediziner befürchten eine Zunahme von Koinfektionen. Virologen sind weniger besorgt. Sie verweisen auf das seit langem bekannte Phänomen der viralen Interferenz. Danach kann eine akute Infektion mit einem Virus für eine gewisse Zeit vor der Infektion mit einem anderen schützen.

Grundlage der Schutzwirkung ist die Freisetzung von Proteinen, mit der infizierte Zellen andere vor der Ge­fahr „warnen“. Diese Substanzen werden als Interferone bezeichnet und frühere Studien hatten bereits ge­zeigt, dass dieses Phänomen auch bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftritt.

Eine starke Interferon-Reaktion könnte mit erklären, warum einige Menschen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 nur leicht erkranken. Störungen der Interferon-Produktion könnten dagegen zu schweren Erkrankungen führen.

Ein Team um Benjamin tenOever von der New York University hat jetzt untersucht, ob es auch zwischen SARS-CoV-2 und Influenza-Viren eine Interferenz gibt. Die Forscher untersuchten dies einmal an Zellkulturen und dann an Goldhamstern, die sich wie der Mensch sowohl mit SARS-CoV-2 als auch mit Influenza-Viren infizie­ren können.

Wurden die Tiere gleichzeitig mit beiden Viren infiziert, kam es zunächst zu einer Replikation beider Viren. Allerdings scheinen sich die Tiere bei einer Koinfektion schneller von der Infektion mit SARS-CoV-2 zu erho­len. Die Virustiter waren nach 3 Tagen gefallen und nach 5 Tagen war die Infektion beendet. Nach einer allei­nigen Inokulation mit SARS-CoV-2 dauerte die Infektion 7 Tage.

Die Forscher führen dies auf die stärkere Produktion von Interferonen bei einer Infektion mit beiden Viren zurück. Interessanterweise hatte die Koinfektion keinen Einfluss auf die Replikation der Influenza-Viren. Die Replikation hielt genauso lange an wie nach einer alleinigen Inokulation mit den Grippe-Viren.

In einem weiteren Experiment wurden die Tiere zunächst mit einem der beiden Viren und 3 Tage später mit dem anderen infiziert. Zu einer Interferenz kam es dieses Mal nur, wenn die Tiere zuerst mit dem Influenza-Virus infiziert wurden. Die Virustiter von SARS-CoV-2 blieben niedrig. Die Infektion mit den Influenza-Viren hatte die Replikation von SARS-CoV-2 deutlich vermindert.

In die andere Richtung funktionierte die virale Interferenz nicht. Bei Tieren, die zuerst mit SARS-CoV-2 inoku­liert wurden, kam es zu einer genau so starken Replikation der Influenza-Viren wie nach einer alleinigen In­okulation mit den Influenza-Viren. SARS-CoV-2 kann demnach nicht vor einer Grippe schützen.

Interessanterweise hielt der Interferenz-Schutz vor SARS-CoV-2 durch die Grippe-Viren auch über das Ende der Influenza hinaus an: Hamster erholen sich innerhalb von 5 Tagen von einer Grippe. Wenn sie nach 7 Tagen mit SARS-CoV-2 inokuliert wurden, blieb die Replikation von SARS-CoV-2 zunächst aus. Sie setzte erst nach 3 Tagen ein.

Nach 5 Tagen lag die Replikation dann auf demselben Niveau, wie ohne eine vorherige Infektion mit den Influenza-Viren. Auch bei einem Intervall von 14 Tagen war noch eine Interferenz nachweisbar. Sie zögerte den Beginn der Replikation von SARS-CoV-2 allerdings nur um 1 Tag heraus.

Die Studie zeigt, dass es auch zwischen SARS-CoV-2 und Influenza-Viren eine Interferenz gibt. Warum sie nur in der einen Richtung funktioniert, ist unklar. Möglicherweise spielt die bei Hamstern deutlich ausgeprägtere SARS-CoV-2-Pneumonie eine Rolle. Die Lungen könnten soweit geschädigt sein, dass nicht mehr genügend Zellen zur Produktion von Interferonen zur Verfügung stehen.

Ob die tierexperimentellen Ergebnisse eine klinische Relevanz haben, ist unklar. Das Team um tenOever glaubt, dass eine Koinfektion mit SARS-CoV-2 und dem Influenza-A-Virus weniger bedrohlich sein könnte, als vielfach befürchtet. Eine jüngst im Lancet (2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)00383-X) publizierte Studie kam jedoch zu dem Ergebnis, dass bei einer Koinfektion mit beiden Erregern die Sterblichkeitsrate steigt.

rme

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