Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Todesfall in England könnte nicht der einzige bleiben

London – In Großbritannien ist erstmals ein Mensch an einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) gestorben. Bei dem 36-jährigen Mann wurde die heterozygote Form des Prionprotein-(PrP-)Gens nachgewiesen, die in der europäischen Bevölkerung etwa häufiger auftritt als die homozygote (45 versus 40 Prozent). Bisher war unbekannt, ob Menschen mit heterozygoter Erbanlage immun sind gegen vCJK. Die Autoren eines Beitrags im New England Journal of Medicine vermuten nun, dass dies widerlegt wurde und eine weitere Welle von vCJK-Fällen einsetzen könnte (2017; doi: 10.1056/NEJMc1610003).
Vor mehr als 20 Jahren trat erstmals die neue Variante der CJK (vCJK) beim Menschen auf – als Folge der Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) bei Rindern in Großbritannien. Ihren Höhepunkt erreichte die Epidemie vor 17 Jahren, 28 Menschen mit Todesursache vCJK gab es im Jahr 2000 weltweit, keinen davon in Deutschland. Seither sanken die Zahlen. Alle Fälle dieser tödlichen Prionen-Erkrankung hatten eines gemeinsam: Die Betroffenen hatten in ihrer DNA den „MM-Genotyp beim PRNP-Codon 129“ (siehe Kasten). Die Kombination der Aminosäuren beeinflusst, wie empfänglich ein Mensch für die fehlgefalteten Prionen und damit eine Prionen-Erkrankung ist.
Der Todesfall bestätigt jetzt, dass Menschen mit heterozygoter Erbanlage (MV) für das Prionprotein nicht immun gegen die vCJK sind. Sie entwickeln die Prionenerkrankung erst nach längerer Inkubationszeit. Fachleute hatten eine solche Entwicklung schon seit Langem befürchtet. „Je länger nach dem BSE-Eintrag vCJK-Patienten erkranken und je breiter das Spektrum der potenziell Betroffenen wird, desto wahrscheinlicher wird, dass die Länge der Inkubationszeit bislang unterschätzt wurde“, schlussfolgert Walter J. Schulz-Schaeffer, Direktor des Instituts für Neuropathologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg.
Demzufolge könnten deutlich mehr Personen als die bislang 230 diagnostizierten Personen zu dem potenziell gefährdeten Personenkreis gehören. Auch Inga Zerr, Leiterin der Forschungsgruppe Prionen an der Universität Göttingen, geht davon aus, dass weitere Fälle zu erwarten sind. „Die Fallzahlen können jedoch nicht zuverlässig abgeschätzt werden, da zu viele unbekannte Faktoren in die Berechnung einfließen.“
Eine Studie, die im BMJ 2013 publiziert wurde, zeigt eine noch größere Risikogruppe: „In der epidemiologischen Studie haben Gill und Mitarbeiter anhand der Untersuchung von 32.441 Appendix-, also Wurmfortsatz-Biopsien gezeigt, dass statistisch bei jedem 2000. Briten der Geburtsjahrgänge 1941 bis 1985 pathologisches Prionprotein im lymphatischen Gewebe nachweisbar ist“, sagt Schulz-Schaeffer. Nach heutigem Kenntnisstand seien dieses Personen, die eine vCJK entwickeln könnten.
vCJK überträgt sich über ärztliche Maßnahmen
Das Rinder-Reservoir als Überträger schätzt der Prionenforscher aus Homburg gering ein. Die strikten Testungen von Tieren für den menschlichen Verzehr unterbrechen diese Infektionskette. Das eigentliche Risiko sei der an den Menschen adaptierte, und damit um ein Vielfaches hinsichtlich einer Verbreitung gefährlichere, Erreger in unerkannten vCJK-Trägern. „Glücklicherweise ist eine Übertragung durch soziale Kontakte nach derzeitigem Kenntnisstand auszuschließen.“
Eine Übertragung könnte aber durch chirurgische Instrumente sowie in der Transplantations- und Transfusionsmedizin erfolgen, sagt Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide am Robert-Koch-Institut in Berlin. Bisher wurden aus dem Vereinigten Königreich vier Fälle einer wahrscheinlichen vCJK-Übertragung durch Blut im Transfusionsempfänger sowie ein Fall einer mutmaßlichen Infektion durch ein Plasmapräparat berichtet.
Drei der betreffenden Transfusionsempfänger sind dabei auch klinisch an vCJK erkrankt, berichtet Beekes. Empfehlungen zur Inaktivierung von vCJK-Erregern, beispielsweise bei der Dekontaminierung chirurgischer Instrumente, könnten im Prinzip auch für die neu berichtete Form der vCJK übernommen werden, nimmt Beekes an.
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