Politik

Crossover-Lebend­nierenspende könnte Transplantationszahl deutlich erhöhen

  • Donnerstag, 27. April 2023
/Tom, stock.adobe.com
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Berlin – Die Zulassung von Crossover-Nierenlebendspenden könnte die Zahl von Transplantationen deutlich erhöhen. Über eine mögliche Änderung des Transplan­ta­tionsgesetzes (TPG), die solche Spenden ermöglichen könnte, haben Sachverständige gestern bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags gesprochen.

Grund für die Anhörung war ein Antrag der AfD-Fraktion für die Zulassung von Crossover-Lebendspenden. Die CDU/CSU sowie die FDP-Fraktion hatten sich ebenfalls mit dem Thema auseinandergesetzt. Die FDP sprach sich bereits in früheren Anträgen dafür aus, auch altruistische Lebendspenden zu ermöglichen.

Aktuell dürfen Lebendspenden nach Paragraf 8 Absatz 1 des TPG nur an nahestehende Personen erfolgen. Das soll unter anderem Organhandel vermeiden. Bei einer Crossover-Lebendspende wird ein Spender-Empfänger-Paar mit einem passenden zweiten Paar zusammengebracht, so dass zwei Lebendorganspenden kreuzweise durchgeführt werden können.

150 potenzielle Spendeorgane

„Wenn man Holland oder England auf Deutschland hochrechnet, kommt man auf 150 potenzielle Transplanta­tionen. Bei 500 Lebendspenden wäre das ein ganz beträchtlicher Teil“, erklärte der Nephrologe Klemens Bud­de von der Charité. Zusätzlich mache jeder Patient, der eine Lebendspende erhielt, Platz für eine weitere Per­son, die ein postmortales Organ erhalten könne. Die Kosten für eine solche Transplantation solle die Kran­kenkasse tragen.

„Wir haben ungefähr 100.000 Patienten, die dialysepflichtig sind, von diesen Patienten stehen etwa 9.000 Patientinnen und Patienten auf der Transplantationswarteliste für eine Niere. Wir rechnen mit einem Zuwachs von 2,7 bis drei Prozent pro Jahr“, sagte Günther Matheis von der Bundesärztekammer (BÄK). Deutschland hätte im Vergleich zu anderen europäischen Staaten den restriktivsten Rahmen, was die Lebendspende­situa­tion anginge. „Aus ärztlicher Sicht sollte das Verfahren ermöglicht werden“, so Matheis.

Ein einzelnes Zentrum mit möglichen Spender-Empfänger-Paaren sei dabei nicht ausreichend, sagte Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organstransplantation. „Man sollte eine bundesweite Liste haben.“ Eine europaweite Ausweitung des Registers hält Rahmel ebenfalls für hilfreich. Dafür müsse man sich allerdings zunächst auf einheitliche Kriterien einigen, wie beispielsweise zur Gewebeübereinstimmung oder dem Alters-Matching.

Auch der GKV-Spitzenverband hält die erforderliche besondere persönliche Verbundenheit bei der Lebend­spende für eine erhebliche Einschränkung der Spendemöglichkeit. In rund 40 Prozent sind die Spender- und Empfängerkonstellationen laut GKV-Spitzenverband nicht kompatibel.

Thomas Gutmann, Rechtswissenschaftler Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsphilosophie und Medizin­recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, hält die Crossover-Lebendspende für unzureichend.

Er sprach sich dafür aus, die Begrenzung des Spenderkreises in Paragraf 8 Absatz 1 Satz 2 zu streichen. Das aktuelle Gesetz würde dazu führen, dass Deutsche Patienten schlechter versorgt seien, sagte Gutmann. „Die Niederlande, Großbritannien, USA und Kanada haben uns gezeigt, was Best Practice ist.“

Risiken für Spender berücksichtigen

Ralf Zietz, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende, sprach sich als Einzelsachver­ständi­ger gegen eine Änderung des TPG aus. „Die Risiken und möglichen Folgen der Nierenlebendspende erlauben im Grunde nach Auffassung des Unterzeichners keine Ausweitung der Spende“, erklärte er in einer Stellung­nahme. In Einzelfällen seien Crossover-Spenden bereits möglich, wenn sich Spender und Empfänger kennen­lernten, sodass es keiner Gesetzesänderung bedürfe.

Einzelne Patienten hätten nach einer Spende Gesundheitsbeeinträchtigungen, über die man aufklären müsse, erklärte auch Budde. Man müsse jedoch auch den Nutzen für den Spender mitbedenken, wie etwa das Über­leben des Angehörigen.

Auch bei AB0-Inkompatiblen Patienten könne es sinnvoll sein anzubieten, am Crossover-Programm teilzu­nehmen, so Budde. Denn dem Experten zufolge kann eine AB0-inkompatible Lebendspende möglicherweise mit einem schlechteren Outcome verbunden sein.

mim/kat

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