CT im Kindesalter kann Leukämie und Hirntumoren auslösen
Newcastle upon Tyne – Kinder, die bis zum 15. Lebensjahr bereits 2 oder 3 Computertomographien des Schädels erhalten haben, erkranken dreifach häufiger an einem Hirntumor. Bei 5 bis 10 derartiger Untersuchungen verdreifacht sich auch das Leukämierisiko. Zu diesem Ergebnis kommt eine retrospektive Kohortenstudie im Lancet (2012; doi: 10.1016/S0140-6736(12)60815-0). Da beide Erkrankungen selten sind, ist die absolute Gefahr für das Kind jedoch gering.
Die Debatte um die Auswirkungen häufiger Röntgenuntersuchungen ist nicht neu. Dabei sehen Experten vor allem den Einsatz der Computertomographie (CT) kritisch, da die Strahlendosis 10 bis 50 Mal höher ist als bei einer konventionellen Röntgenuntersuchung. Hinzu kommt, dass das Gewebe des wachsenden Organismus besonders sensibel auf ionisierende Strahlen reagiert.
Schon vor zehn Jahren hatten US-Forscher geschätzt, dass eine einzige CT-Untersuchung bei einem ein Jahr alten Kind das persönliche Risiko an Krebs zu sterben, um 0,18 Prozent (Abdomial-CT) oder 0,07 Prozent (Schädel-CT) erhöht. Für die USA mit damals 600.000 jährlichen CTs von Abdomen und Kopf im Jahr würde dies 500 zusätzliche Krebserkrankungen bedeuten (AJR 2001; 176: 289–296).
Die Berechnungen wurden kritisiert, da ihre Grundlage der Anstieg der Krebserkrankungen nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki ist. Dort waren die Opfer einer anderen Strahlung (Gammastrahlung) ausgesetzt, die zudem ungezielt den gesamten Körper traf, während bei einer CT-Untersuchung nur Teile des Körpers einer höheren Dosis ausgesetzt sind.
Die Untersuchung von Mark Pearce von der Universität Newcastle in England und Mitarbeitern ist der heutigen Realität wesentlich näher. Die Epidemiologen setzen die tatsächliche Exposition durch CT-Untersuchungen mit den späteren Einträgen in ein Krankenregister in Verbindung.
Die Studie erfasst fast 180.000 Kinder und Jugendliche, bei denen zwischen 1985 und 2002 in Großbritannien eine oder mehrere CT-Untersuchungen durchgeführt wurden. Die Forscher errechneten die Strahlendosis in Milligray (mGy), mit der jeweils das Gehirn und das Knochenmark der Kinder exponiert wurden.
Diese Daten wurden dann mit der Krebsinzidenz und -mortalität im UK National Health Service Registry bis 2008 abgeglichen. Um eine Verzerrung durch CT-Untersuchungen zu vermeiden, die zur Diagnose von Krebserkrankungen durchgeführt wurden, wurden nur Leukämien berücksichtigt, die 2 Jahre nach dem CT aufgetreten waren. Für die Hirntumoren betrug diese Latenzzeit 5 Jahre.
Bei insgesamt 74 von 178.604 Patienten wurde eine Leukämie und bei 135 von 176.587 Patienten ein Hirntumor diagnostiziert. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass pro Milligray Röntgenexposition das Leukämierisiko um 3,6 Prozent und das Hirnkrebsrisiko um 2,3 Prozent ansteigt. Im Vergleich zu Kindern mit einer Gesamtexposition von weniger als 5 mGy erkrankten Kinder mit einer kumulativen Dosis von über 30 mGy (im Mittel 51,13 mGy) 3,18-fach (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,46–6,94) häufiger an einer Leukämie. Für Patienten mit einer kumulativen Dosis von 50-74 mGy (im Mittel 60,42 mGy) war das relative Risiko auf einen Hirntumor um den Faktor 2,81 (1,33-6,03) erhöht.
Nach weiteren Berechnungen kommen auf 10.000 Personen, die im Alter von 0 bis 20 Jahren mit 10 mGy durch CT-Untersuchungen exponiert sind, 0,83 zusätzliche Leukämieerkrankungen und 0,32 zusätzliche Hirntumoren. Bezogen auf eine CT-Untersuchungn des Kopfes im Alter vor 10 Jahren käme auf 10.000 exponierte Kinder eine zusätzliche Leukämieerkrankung und ein zusätzlicher Hirntumor in den ersten zehn Jahren nach der Exposition.
Da die Nachbeobachtungszeit der Studie begrenzt war, ist nicht auszuschließen, dass das Lebenszeitrisiko höher ist. US-Forscher gingen in ihren Projektionen jüngst davon aus, dass auf 1.000 Computertomographien des Schädels (CCT) im Alter unter 5 Jahren im weiteren Leben eine zusätzliche Krebserkrankung (alle Entitäten) kommt. Im Alter von 15 Jahren rechnen sie mit einer zusätzlichen Krebserkrankung auf 2000 CCT. Beim Abdominal-CT soll schon auf 500 CTs unabhängig vom Alter der Untersuchung eine zusätzliche Krebserkrankung kommen (Archives of Internal Medicine 2009; 169: 2071-2077).
Diese Risiken sind im Vergleich zu dem Gesamtrisiko – jeder dritte Mensch stirbt an Krebs – gering, und für Pearce stellt das Krebsrisiko den Einsatz der CT-Untersuchungen grundsätzlich nicht infrage. Hinzu kommt, dass die meisten CT-Geräte heute über Optionen zur Dosisreduktion verfügen und das Risiko deshalb heute geringer sein könnte, wie Andrew Einstein von der Columbia University Medical Center in New York in einem Kommentar meint. Das Risiko einer Krebsinduktion sei jedoch real und gerade bei Kindern sollte darauf geachtet werden, dass eine möglichst niedrige Dosis verwendet werde.
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