Medizin

Darmbakterien können Thrombozyten­aggregation verstärken

  • Dienstag, 25. April 2017

Cleveland – Die Ernährung und die Darmbakterien können offenbar die Blutgerinnung beeinflussen. In einer Studie in Circulation (2017; 135: 1671-1673) kam es nach der Gabe von Cholin, das in Lebensmitteln enthalten ist, unter Einwirkung bestimmter Darmbakterien zur Bildung von Trimethylaminoxid (TMAO), dessen Konzentration im Blut die Thrombozytenaggregation erhöhte.

Verschiedene Lebensmittel enthalten Choline. Diese quartären Ammoniumverbindungen sind häufig an Sphingomyelin oder Phosphatidylcholin (Lecithin) gebunden, sie können aber auch in freier Form vorliegen. Choline sind vor allem in Rinder- und Schweineleber und in Eiern enthalten. Weizenkeime, Sojabohnen oder auch Brokkoli und Blumenkohl enthalten Choline in geringerer Menge.

Einige Darmbakterien können Cholin in Trimethylamin (TMA) umwandeln. TMA wird vom Darm resorbiert und in der Leber zu TMAO (TMA-N-oxid) weiter verstoffwechselt. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass ein erhöhter TMAO-Spiegel im Serum mit kardio­vaskulären Erkrankungen einhergeht.

So konnte Stanley Hazen von der Cleveland Clinic in Ohio zeigen, dass Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig erhöhte TMAO-Konzentrationen im Serum haben (Nature 2011; 472: 57-63). In einer Kohortenstudie an 4.007 Koronarpatienten kam es 2,5-fach häufiger zu einem erneuten schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignis, wenn die Patienten erhöhte TMAO-Werte im Serum hatten (NEJM 2013; 368: 1575-84). Tierexperimentelle Studien zeigen, dass die vermehrte Bildung von TMA/TMAO die Atherosklerose beschleunigt.

Einen möglichen Pathomechanismus beschrieb das Team um Hazen im letzten Jahr in Cell (2016; 165: 111–124): In Laborversuchen erhöhte TMAO die Freisetzung von Kalzium aus Thrombozyten, was die Aggregationsneigung der Thrombozyten förderte. An Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass die Diät, aber auch die Zusammen­setzung der Darmflora die Thromboseneigung erhöhte, was sich unter anderem durch eine Stuhltransplantation von einem Tier auf ein anderes übertragen ließ. 

Jetzt haben die Forscher die Experimente an einer Gruppe von 18 gesunden Proban­den wiederholt, darunter acht Vegetarier/Veganer. Die Erwachsenen (mittleres Alter 46 Jahre) nahmen über zwei Monate zweimal täglich 500 mg Cholinbitartrat ein. Die Serum­konzentration von TMAO stieg um mehr als den Faktor 10 an. Eine Folge war die deutliche Zunahme der Thrombozytenaggregation. In einer separaten Studie konnte die Thrombozytenfunktion durch die Einnahme von ASS in niedriger Dosierung (81 mg/die) wieder normalisiert werden. 

Die Studie zeigt laut Hazen erstmals am Menschen, dass eine cholinhaltige Diät die TMAO-Produktion durch Darmbakterien steigern und die Thrombozytenfunktion erheblich beeinflussen kann.

Die vermehrte Thrombozytenaggregation könnte plausibel die in der Kohortenstudie gefundene Assoziation mit einem gesteigerten Herz-Kreislauf-Risiko erklären. Ob allerdings die Gabe von ASS das Risiko wieder normalisiert, lässt sich aus der kleinen Studie kaum schließen. Hierzu müssten größere Interventionsstudien durchgeführt werden. Dabei wären Nutzen und Risiken abzuwägen. ASS ist kein ungefährliches Medikament. Tödliche Magen-Darm-Blutungen sind möglich.

Die Studie könnte auch für Menschen relevant sein, die cholinhaltige Nahrungser­gänzungsmittel einnehmen. Sie werden pikanterweise unter anderem zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beworben (ohne dass es hierfür Belege gebe, die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auch nicht erbringen müssen, um ihre Produkte anbieten zu können). Die Studienergebnisse von Hazen lassen befürchten, dass die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel eine gegenteilige Wirkung haben könnte.

rme

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