Politik

Darmkrebs: Hämoccult-Tests werden seltener genutzt

  • Freitag, 30. November 2018
WunderBild, stock.adobe.com
WunderBild, stock.adobe.com

Hamburg – 2016 haben 11,4 Prozent weniger Menschen in Deutschland Hämoccult-Tests als noch 2012 genutzt. Das zeigen Analysen der Barmer, die sich dabei auf Abrechnungsdaten von gesetzlich Krankenversicherten aller Kassen stützt. 2012 ließen demnach knapp 3,9 Millionen Männer und Frauen ab 50 Jahren eine Stuhlprobe auf Blutspuren untersuchen, 2016 waren es noch gut 3,4 Millionen.

„Es ist erschreckend, dass immer weniger Menschen die Darmkrebsfrüherkennung in Anspruch nehmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Darmkrebs bei Männern die dritthäufigste Krebserkrankung und bei Frauen die zweithäufigste ist“, sagte der Landesgeschäftsführer der Barmer in Hamburg, Frank Liedtke.

Werde ein Tumor rechtzeitig erkannt, könne die Gefahr zum Beispiel durch die Entfernung von Polypen im Darm gebannt werden. Jährlich erkranken in Deutschland 73.000 Menschen an dem Krebs, und 30.000 sterben.

Der Internist und Gastroenterologe Andreas Block reagiert nicht besonders alarmiert auf den Rückgang beim Hämoccult-Test. Er hält die Untersuchung für unzuverlässig. Die Fehlerquote liege bei 20 bis 30 Prozent, sagte Block, der unter anderem den Bereich Prävention am Zentrum für Onkologie am Universitiätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) leitet. Der Test sei nicht sensitiv genug.

Koloskoie ist Goldstandard

Patienten könnten nicht sicher sein, dass sie bei einem negativen Ergebnis tatsächlich gesund seien. Zudem könne der herkömmliche Stuhltest nicht zwischen menschlichem und tierischem Blut unterscheiden. Inzwischen gibt es einen neuen immunologischen Stuhltest, der weniger störanfällig sein soll. Er funktioniert über Antikörper, die sich nur an den menschlichen Blutfarbstoff Hämoglobin binden. Blut im Stuhl kann jedoch auch aus Hämorrhoiden oder Fissuren stammen.

„Es ist immer noch besser, als wenn man nichts macht, aber viel besser ist natürlich die Darmspiegelung“, betonte Block. Die Koloskopie sei der „Goldstandard“. Ärzte könnten auf diese Weise 98 Prozent der Tumore im Ansatz erkennen und die Polypen auch gleich entfernen. Seit 2002 haben gesetzlich Versicherte ab 55 Jahren Anspruch auf eine Darmspiegelung und auf eine weitere zehn Jahre später – insgesamt also nur auf zwei Untersuchungen.

Diese Regelung könne zu dem Rückgang bei dem Stuhltest geführt haben, vermutet Block. Tatsächlich haben die Koloskopien zur Früherkennung deutlich zugenommen, wie die Analyse der Barmer zeigt. Die Zahl der Untersuchungen stieg von 2012 bis 2017 deutschlandweit um knapp 20 Prozent. Die absolute Zahl der Teilnehmer ist mit rund 467.000 gesetzlich Versicherten aber bei weitem nicht so groß wie beim Hämoccult-Test. Allerdings habe man nach einer Darmspiegelung ohne Befund zehn Jahre Ruhe, weil Polypen nur sehr langsam wachsen, erklärte Block.

„Ich glaube es wäre voreilig zu sagen, die Leute werden vorsorgemüde und machen deswegen keinen Hämoccult mehr.“ Der anfängliche „Hype“ bei der Darmspiegelung sei allerdings auch etwas abgeflaut. Denn die Prozedur ist nicht ganz angenehm. Bereits drei Tage vorher muss eine strenge Diät eingehalten werden. Vor der eigentlichen endoskopischen Untersuchung, die ambulant gemacht wird, bekommen die Patienten ein Beruhigungs- oder ein leichtes Narkosemittel.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) fordert, bereits ab 50 Jahren die Koloskopie zur Früherkennung anzubieten. Die Häufigkeit der Erkrankung steige bereits in diesem Alter deutlich an. Vor allem Männer hätten ein höheres Risiko. Eine Studie mit knapp 1.400 Teilnehmern im Alter von 50 bis 54 Jahren habe gezeigt, dass 8,6 Prozent der Männer, aber nur 4,5 Prozent der Frauen fortgeschrittene gut- oder bösartige Tumore hatten.

Ab April 2019 bekommen Männer ab 50 Jahren nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses künftig wahlweise eine Darmspiegelung oder den Hämoccult-Test von den Krankenkassen bezahlt. Für Frauen wird die Koloskopie zur Früherkennung ab 55 Jahren übernommen. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung mache die Untersuchung auch bei 70- und 80-Jährigen noch Sinn, sagte Block.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung