Debatte um Impfstoffpatente vor Treffen von Merkel und Biden

Kalamazoo – Vor dem morgigen Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Joe Biden flammt die Debatte über eine Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 wieder auf.
Ärmere Länder, aber auch die USA, setzen sich seit geraumer Zeit für eine Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe ein, um die weltweite Impfkampagne zu beschleunigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das bisher klar abgelehnt. Bundesaußenminister Heiko Maas schlug gestern – nicht zum ersten Mal – andere Töne an. Er hatte sich offen für Gespräche gezeigt.
„Das ist eine Diskussion, die wir führen und der wir uns gar nicht verweigern wollen“, sagte der SPD-Politiker gestern beim Besuch einer Produktionsstätte des US-Pharmakonzerns Pfizer in Kalamazoo im US-Bundesstaat Michigan.
Kurzfristig sehe er aber keine Möglichkeit einer Aussetzung, deswegen liege die Priorität im Moment bei der Verbesserung von Lieferketten und dem Aufbau von Produktionsstätten in ärmeren Ländern. „Man muss beides tun, man kann das auch parallel tun“, betonte Maas.
Maas begann in Michigan einen dreitägigen USA-Besuch. In Kalamazoo besuchte er die größte pharmazeutische Produktionsstätte in den USA, in der auch Coronaimpfstoff hergestellt wird. Pfizer arbeitet dabei mit dem deutschen Unternehmen Biontech zusammen.
Schon vor seinem Abflug betonte der Außenminister, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit bei der Verteilung von Impfstoffen sei. „Ohne weltweite Solidarität bei der Impfstoffverteilung wird Delta nicht die letzte Variante gewesen sein, die wir besiegen müssen“, betonte er.
Anlässlich des USA-Besuchs von Merkel haben heute 65 zivilgesellschaftliche Organisationen der People's Vaccine Alliance die vorübergehende Freigabe der Patente auf COVID-19-Impfstoffe gefordert. Sie verlangten von der Kanzlerin, sich der Regierung von US-Präsident Joe Biden anzuschließen und einen Verzicht auf Patente bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu unterstützen.
Die Nichtregierungsorganisationen kündigten dazu Protestaktionen in Deutschland und den USA an. Sie werden in dem Anliegen von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus unterstützt. Zu den Organisationen gehören Brot für die Welt, Oxfam, Amnesty International, Avaaz, Action Aid, Global Justice Now und Public Citizen.
Sie alle forderten eine Verzichtserklärung für den Schutz geistigen Eigentums. Dies sei die einzige Möglichkeit, die Impfstoffproduktion weltweit auszuweiten, um auch Menschen in ärmeren Ländern Zugang zu dem lebenswichtigen Schutz gegen COVID-19 zu ermöglichen.
Die Organisationen widersprachen Merkels Äußerung, dass bestehende Regelungen ausreichten, um Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen die Herstellung eigener Impfstoffe zu ermöglichen. Sie verwiesen darauf, dass derzeit die dritte COVID-19-Welle besonders ärmere Länder treffe.
Zugleich seien etwa in Uganda, einem Land mit 45 Millionen Einwohnern, bisher nur etwa 4.000 Menschen vollständig geimpft worden. In Bangladesch führe die Delta-Variante zur Überlastung des Gesundheitssystems, die Zahl der Todesfälle steige rapide an.
Deutschland habe mit 83 Millionen Einwohnern bereits 77 Millionen Dosen Impfstoff verabreicht, das seien 24 Millionen mehr als der gesamte afrikanische Kontinent mit 1,4 Milliarden Einwohnern.
Ärzte ohne Grenzen rief die Bundeskanzlerin heute ebenfalls dazu auf, zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie den Trips-Waiver für eine Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte zu unterstützen.
„Deutschland verzögert durch seine Blockadehaltung eine schnelle weltweite Eindämmung der Pandemie“, sagt Barbara Gerold-Wolke, amtierende Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Deutschland. „Kanzlerin Merkel sollte daher das Treffen mit Joe Biden zum Anlass nehmen, ihre starre Haltung zu revidieren.“
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