Politik

Defizit der Kliniken in Baden-Württemberg wächst auf eine Milliarde Euro

  • Dienstag, 25. März 2025
/picture alliance, Zoonar, DesignIt
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Stuttgart – Die Krankenhäuser in Baden-Württemberg erwarten in diesem Jahr ein Defizit von einer Milliarde Euro. Mindestens 73 Prozent von ihnen schreiben rote Zahlen. Das geht aus einer Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) hervor, die heute in Stuttgart vorgestellt wurde.

An der Umfrage beteiligten sich Krankenhäuser, die mehr als 76 Prozent der Betten im Land stellen. „Die Lage ist dramatisch“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der BWKG, Heiner Scheffold, die Zahlen. Besorgniserregend sei vor allem, dass das Defizit von Jahr zu Jahr größer geworden sei. 2023 habe es noch bei 670 Millionen Euro gelegen und 2024 bei 900 Millionen.

Zwei Drittel des Defizits sei auf zu niedrige Betriebskosten zurückzuführen, ein Drittel auf unzureichende Investitionsmittel des Landes. „Vom Gesetz her müssten Plankrankenhäuser ausfinanziert werden“, sagte Scheffold. „Dem Klinikträger dürfte eigentlich gar kein Defizit entstehen.“

Er lobte, dass Baden-Württemberg ein Sonderprogramm in Höhe von 300 Millionen Euro für die Jahre 2024 und 2025 aufgelegt und zusätzlich die Investitionsmittel um 73 Millionen Euro für das Jahr 2025 und um weitere 70 Millionen Euro für das Jahr 2026 erhöht hat. Gleichwohl sei der über Jahre angewachsene Investitionsstau dadurch nicht abgetragen, so Scheffold.

Freigemeinnützige sind am meisten betroffen

Der Bund hingegen habe noch nicht reagiert, um die Defizite auszugleichen, die den Krankenhäusern insbesondere durch die hohe Inflation in den vergangenen Jahren entstanden seien. Auch der Landesbasisfallwert sei in einem Hochlohnland wie Baden-Württemberg nicht ausreichend.

„Nun ist der Bund gefragt, denn je länger die überfällige finanzielle Entlastung der Krankenhäuser auf sich warten lässt, umso größer werden die Defizite. Die neue Bundesregierung muss umgehend den Landesbasisfallwert um mindestens vier Prozent erhöhen – so, wie das der Bundesrat schon im November 2023 einstimmig gefordert hat“, erklärte Scheffold.

Von den massiven Defiziten seien private, freigemeinnützige und öffentliche Krankenhäuser gleichermaßen betroffen – wenn auch die freigemeinnützigen die größten Probleme hätten. Denn sie hätten nicht, wie die kommunalen, die Möglichkeit, sich das Defizit von der Kommune ausgleichen zu lassen.

So habe es in den vergangenen Jahren Insolvenzen bei freigemeinnützigen Kliniken gegeben sowie eine Rekommunalisierung. Inzwischen werde es aber auch für öffentliche Träger wie Städte und Landkreise immer schwieriger, die Finanzlücken aus eigener Tasche zu schließen, sagte Scheffold, der zugleich Landrat des Alb-Donau-Kreises ist.

Dies gelinge nur noch, indem die Investitionen in anderen kommunalen Bereichen wie dem Öffentlichen Personennahverkehr, Schulen, Straßen und Radwegen zurückgefahren werden. Wenn der Bund die Defizite im Bereich der Betriebsmittel nicht ausgleiche, so Scheffold, müsse man mit weiteren Insolvenzen rechnen.

Auch aus Sicht des Gesundheitsministers von Baden-Württemberg, Manne Lucha (Grüne), sind die Ergebnisse der Umfrage „beunruhigend“. „Trotz der enormen Bemühungen des Landes und der Erhöhung der Investitionsmittel zeigen sich leider keine Verbesserungen bei der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser“, sagte er. Die nächste Bundesregierung müsse schleunigst handeln, um ein unkontrolliertes Sterben bedarfsnotwendiger Krankenhäuser zu verhindern.

Kritik an Vorhaltepauschalen

Der BWKG-Vorsitzende Scheffold begrüßte grundsätzlich die Ziele der Krankenhausreform des Bundes. Eine Stabilisierung der Klinikfinanzen sei jedoch eine zentrale Voraussetzung für eine geordnete Reform. Denn ohne eine Stabilisierung würden womöglich Standorte geschlossen, die künftig für die Versorgung unbedingt gebraucht würden, so Scheffold. Oder es würden ungesteuert medizinische Leistungen abgebaut.

Zudem kritisierte er die Ausgestaltung der Berechnung der Vorhaltepauschalen, die die Krankenhäuser künftig erhalten sollen. Denn diejenigen Krankenhäuser sollen die höchsten Pauschalen erhalten, die in den Jahren 2023 und 2024 die meisten Fallzahlen hatten.

Ein Land wie Baden-Württemberg, das einen – von der Politik gewünschten – hohen Ambulantisierungsgrad aufweise, habe deshalb weniger Fallzahlen und werde finanziell dafür bestraft, dass es den Umbau der Krankenhausstruktur bereits weit vorangetrieben habe. Das sei nicht gerecht. „Es müsste umgekehrt sein“, sagte Scheffold. „Wer die effizientesten Klinikstrukturen hat, müsste mehr Geld erhalten. Das würde einen Anreiz für Strukturveränderungen setzen.“

Er betonte, dass die Defizite in Baden-Württemberg so hoch seien, obwohl der Strukturwandel der Krankenhäuser im bundesdeutschen Vergleich am weitesten vorangeschritten sei. Bundesweit gebe es in Baden-Württemberg die wenigsten Krankenhausbetten und Krankenhauskosten pro Einwohner. Während es im Bundesdurchschnitt 564 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner gibt, sind es in Baden-Württemberg 467.

Eine weitere Besonderheit der Krankenhausstruktur des Landes geht aus dem Krankenhaus-Rating-Report hervor. Demnach haben die Krankenhäuser in Baden-Württemberg seit langem das höchste Insolvenzrisiko aller Länder. Im aktuellen Report hatten sie im Jahr 2022 eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 25 Prozent, während der Durchschnitt aller Länder bei zehn Prozent lag.

Besonders schlecht ist die wirtschaftliche Lage in den öffentlich-rechtlichen Häusern des Landes. Hier lag die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 40 Prozent. Im Bund lag dieser Wert bei 23 Prozent.

Zur Erklärung hatte Sebastian Krolop, einer der Autoren des Reports, einmal erklärt: „Je reicher die Kommune ist, desto unwirtschaftlicher ist oft das Krankenhaus.“ Denn die reichen Kommunen seien viel eher in der Lage, ein unwirtschaftliches Krankenhaus zu subventionieren, um es nicht schließen oder umstrukturieren zu müssen.

fos

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