Demografiebeauftragter erwartet Pflegenotstand in Baden-Württemberg
Stuttgart – Der Demografiebeauftragte des Landes Baden-Württemberg fürchtet einen Pflegenotstand. Bis 2030 fehlten 40.000 zusätzliche Pflegekräfte im Südwesten, sagte Thaddäus Kunzmann in Stuttgart. Diese Lücke zu schließen, sei kaum möglich. Im zwei, drei Jahrzehnten wachse der Pflegebedarf der geburtenstarken Jahrgänge. Sie erreichten ihr hohes Alter in einer Zeit des massivsten Fachkräftemangels in allen Berufsfeldern. „Dann stellt sich die Versorgungsfrage, zuerst und ganz besonders im ländlichen Raum.“
Ergänzende Hilfen neben der Pflege müssten entwickelt werden. Eine „sorgende Gemeinschaft“, also ein nachbarschaftliches Netzwerk, kombiniert mit Kontakten zu einer Kirchengemeinde oder einem Verein, könne ein Weg sein. Auch neue Wohnformen wie ambulant betreute Wohngemeinschaften könnten nach Einschätzung von Kunzmann eine Alternative sein, wenn familiäre Bindungen wegfallen.
Ruf nach mehr Zuzug
Überdies müsse ein Einwanderungsgesetz den notwendigen Zuzug ausländischer Fachkräfte vereinfachen. Diese hätten heute weltweit Auswahl. Ein Arbeitsplatz allein genüge nicht, um sie zu gewinnen – die Infrastruktur müsse stimmen. Wohnungen, Verkehrsmittel, Schulen und Kitas seien für die Migranten wichtige Entscheidungskriterien.
Auch die Wirtschaft bestärkte ihre Forderung nach einem modernen Zuwanderungsgesetz. Damit könnten qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland langfristige Perspektiven bekommen, betonte der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag. Im Jahr 2030 dürften in Baden-Württemberg über alle Branchen hinweg fast doppelt so viele Fachkräfte fehlen wie heute. In diesem Jahr seien es bereits 308.000 Männer und Frauen.
Kunzmann ist nach eigenen Worten der einzige weisungsungebundene Demografiebeauftragte in den Bundesländern. Der 54-Jährige ist dem Sozialministerium zugeordnet, arbeitet aber ressortübergreifend. Er zog heute eine erste Bilanz nach einem Jahr im Amt.
Im Südwesten steigt vor allem die Zahl sehr alter Menschen: Nach einer Vorausrechnung des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2016 dürfte sich die Zahl der Menschen im Alter von mindestens 85 Jahren von rund 286.000 innerhalb der nächsten knapp drei Jahrzehnte verdoppeln. Im Jahr 2060 könnten es mehr als 800.000 sein. Das wären dann 7,5 Prozent der Bevölkerung. Heute liegt der Anteil bei 2,5 Prozent.
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