Demonstration gegen nichtinvasive molekulargenetische Tests

Berlin – Morgen wollen die Abgeordneten im Bundestag in einer Orientierungsdebatte über nichtinvasive molekulargenetische Tests (NIPT) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 beraten. Gegner des Bluttests demonstrierten heute vor dem Bundestag gegen eine mögliche Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
„Menschen mit Behinderung dürfen nicht von vornherein ausgegrenzt und selektiert werden“, sagte die Vize-Vorsitzende der Berliner Lebenshilfe, Ivonne Kanter. Die Solidargemeinschaft dürfe den Bluttest nicht bezahlen, da er medizinisch nicht sinnvoll sei.
Das wird vielfach aber auch anders bewertet. Das Institut für Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) kam in seinem Abschlussbericht für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu dem Ergebnis, dass die Tests Trisomie 21 zuverlässig bestimmen können. Die Zuverlässigkeit der Tests auf Trisomie 13 und 18 ließen sich allerdings nicht robust schätzen, hieß es.
„Angesichts der Risiken invasiver Untersuchungen sowie der belegten hohen Testgüte der geprüften NIPT-Verfahren sieht der G-BA im Ergebnis der Studienauswertungen eine Anerkennung der NIPT als im Einzelfall mögliche Leistung im Rahmen der Schwangerenbetreuung als medizinisch begründet an“, sagte G-BA-Chef Josef Hecken kürzlich zur Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens.
Es geht nicht um eine Reihenuntersuchung
Er betonte dabei, dass es ausdrücklich „um die Anwendung des Tests bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken“ gehe. Damit sollen die aktuell verfügbaren Testverfahren – das seien Eingriffe, die mit großen Risiken für das ungeborene Kind verbunden seien – so weit wie möglich ersetzt werden.
„Es geht nicht etwa um eine Reihenuntersuchung aller Schwangeren“, erklärte Hecken weiter. Das war in der Vergangenheit von Kritikern immer wieder falsch dargestellt worden. „Daher nutze ich inzwischen auch den Begriff ,Massenscrening', das hier aber ausdrücklich nicht angewendet werden soll“, sagte er im Plenum.
Test bietet weniger Gefahren
Auch die Bundesärztekammer hatte sich gestern für die Tests als GKV-Leistung ausgesprochen. Sie forderte den Bundestag auf, die Voraussetzungen und Grenzen der nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) klar zu definieren. Aus Sicht der BÄK sollten alle Versicherten gleichberechtigt den Zugang zu der risikoärmeren Methoden der Diagnostik erhalten. Zugleich forderte sie ein „klares Bekenntnis zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung und deren Familien“.
Seit der Entwicklung der NIPD lässt sich das Risiko einer autosomalen Trisomie (derzeit Trisomie 13, 18 und 21) durch die Analyse zellfreien fetalen Erbguts im Blut der Schwangeren bestimmen. Die NIPD könne – sofern sie zu einer Reduktion der durch die invasive Pränataldiagnostik bedingten Risiken, insbesondere Fehlgeburten, beitrage – eine sinnvolle Ergänzung der vorgeburtlichen Risikoabklärung darstellen, so die BÄK gestern.
Unter dem Motto „Inklusion statt Selektion“ startete die Demonstration vor dem Gesundheitsministerium und endete mit einer Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor. Polizeiangaben zufolge beteiligten sich 120 Demonstranten an der Veranstaltung des Vereins „downsyndromberlin“.
Der ehemalige Abgeordnete der Linken, Ilja Seifert, bezeichnete den Test als „bloße Aussonderung von Leben“. „Es gibt keine Norm für Menschen“, betonte Seifert. Arthur Hackenthal, der mit dem Down-Syndrom lebt, sprach sich gegen den Bluttest als Kassenleistung aus. „Wenn der Bundestag dazu ja sagt, dann fühle ich mich diskriminiert!“ Der Test führe dazu, dass Ungeborene mit dem Down-Syndrom in der Folge abgetrieben würden.
Natalie Dedreux, ebenfalls eine Aktivistin mit Down-Syndrom, rief die Gesellschaft dazu auf, „keine Angst vor Menschen mit Behinderung“ zu haben und forderte mehr Inklusion in Deutschland. Sie wolle sich mit einer entsprechenden Petition an den Bundestag wenden, die bereits über 10.000 Menschen unterzeichnet hätten.
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