Medizin

Descensus genitalis: Mehr Komplikationen nach Mesh-Implantation

  • Mittwoch, 3. Juni 2015

New York. Obwohl die US-Aufsichtsbehörde FDA mehrfach auf die Gefahren von Kunststoffbändern und Netzen („Mesh“) bei Descensusoperationen hingewiesen hat, nimmt die Zahl der Operationen weiter zu. Die Analyse eines bevölkerungsbasierten Registers im British Medical Journal (BMJ 2015; 350: h2685) zeigt, dass die Implantation von Mesh-Einlagen bei jüngeren und älteren Frauen unterschiedliche Risiken birgt.

Das Statewide Planning and Research Cooperative System (SPARCS) der New Yorker Gesundheitsbehörde erfasst alle stationären und ambulanten Behandlungen des US-Bundesstaates. Dabei werden individuelle Daten der Patienten gespeichert. Ein Forscherteam um Art Sedrakyan vom Weill Cornell Medical College hat SPARCS genutzt, um die Häufigkeit von Mesh-Implantaten bei Descensusoperationen in den Jahren 2008 bis 2011 zu untersuchen. Vorausgegangen war eine Public Health Notification der FDA: Neun Mesh-Hersteller hatten mehr als 1.000 Berichte über Komplikationen erhalten, die nach Descensusoperationen oder nach der Behandlung einer Stressinkontinenz aufgetreten waren.

In den meisten Fällen führen solche Public Health Notifications zum Rückgang der thematisierten Eingriffe. Bei den Descensusoperationen war dies nicht der Fall. Der Anteil der Operationen, in denen die Chirurgen ein Mesh verwendeten, stieg von 2008 bis 2011 sogar von 21 Prozent auf 30 Prozent an. Sedrakyan führt dies darauf zurück, dass die Mesh-Implantate relativ preiswert sind und die Operation vereinfachen. Eine Operation ohne Mesh sei wesentlich anspruchsvoller und dauere deshalb in der Regel länger, schreibt Sedrakyan. Die Chirurgen bevorzugten Mesh insbesondere bei älteren Patientinnen.

Die personalisierten Einträge im SPARCS ermöglichten es Sedrakyan, die Häufigkeit von Re-Operationen und Komplikationen zu bestimmen (soweit die Patienten sich deshalb erneut in Behandlung begaben). Die Komplikationsrate war insgesamt niedrig. Nach einer Operation mit Mesh wurden 3,3 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres erneut operiert (bei 0,7 Prozent wurde erneut ein Mesh verwendet). Nach den Operationen ohne Mesh betrug die Rate 2,2 Prozent (bei 0,5 Prozent wurde dieses Mal ein Mesh verwendet).

Sedrakyan ermittelt in einer Propensity Analyse – sie vergleicht Patientinnen mit gleichen Grundvoraussetzungen – eine Hazard Ratio von 1,47, die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,21-1,79 signifikant ausfiel. Mesh-Implantate führen also – zumindest in der Frühphase – nicht unbedingt zu dauerhafteren Operationsergebnissen. Interessanterweise war das Rezidiv-Risiko bei Frauen unter 65 Jahren höher (Hazard Ratio 1,76; 1,35-2,31) als bei älteren Frauen (Hazard Ratio 1,16; 0,86-1,56).

Auch die Komplikationsrate ist nach Mesh-Einlagen höher. Mit Mesh kam es bei 7,5 Prozent der Frauen, ohne Mesh jedoch nur bei 5,6 Prozent, zu einem Harnverhalt. Sedrakyan ermittelt eine signifikante Risk Ratio von 1,33 (1,18 bis 1,51). Dieses Problem trat häufiger bei älteren Frauen auf, die zu 9,2 Prozent nach Operation mit Mesh und zu 6,7 Prozent nach Operation ohne Mesh über einen Harnverhalt klagten. Bei jüngeren Frauen trat dieses Problem seltener auf und die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren geringer (mit Mesh: 6,1 Prozent, ohne Mesh: 5,3 Prozent).

Nach Ansicht von Sedrakyan sprechen die Ergebnisse nicht pauschal gegen den Einsatz von Mesh-Implantaten. Bei machen Patientinnen könnten sie durchaus das Operations­ergebnis verbessern. Das Problem besteht darin, dass sich der Erfolg schwer vorher­sagen lässt. Die Studie lässt außer Acht, dass der Descensus genitalis ein Sammel­begriff für verschiedene Lokalisationen ist. Neben dem Descensus uteri kann es auch zu einem Prolaps der Blase (Zystozele, vorderes Kompartiment) und Rektum (Rektozele, hinteres Kompartiment) kommen.

Außerdem werden unterschiedliche Mesh-Produkte (Kunststoff, Schweinegewebe) angeboten und die Operationsverfahren unterscheiden sich. Da kaum randomisierte Studien durchgeführt werden, könnte die Lösung in der Einrichtung eines gezielten Patientenregisters für Descensusoperationen bestehen, wie es der Urologe Bilal Chughtai vom Weill Cornell College in der Pressemitteilung der Klinik fordert.

rme

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