Deutliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen beim Einkommen

Wiesbaden – Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen ist einer neuen Berechnung zufolge größer als bislang bekannt: Unter Berücksichtigung von Faktoren wie der Arbeitszeit und der Erwerbsbeteiligung liegt sie bei 39 Prozent.
Wie das Statistische Bundesamt vorgestern mitteilte, fällt diese strukturelle Differenz nur in wenigen EU-Staaten größer aus als in Deutschland. Ein besonderes Problem hierzulande ist die bei Frauen weitverbreitete Teilzeitarbeit.
Der reine Bruttoverdienstunterschied pro gearbeiteter Stunde, der Gender-Pay-Gap, lag im vergangenen Jahr bei 18 Prozent. Frauen verdienten pro Stunde also im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Dies erkläre sich teilweise dadurch, dass Frauen häufiger in weniger gut bezahlten Branchen und Berufen arbeiten, erklärten die Statistiker.
Frauen arbeiten häufiger in Dienstleistungs-, Gesundheits- und Sozialberufen. „Tätigkeiten in diesen Bereichen sind meistens mit einem geringeren Verdienst verbunden als in von Männern häufig ausgeübten Tätigkeiten“, erklärt Anja Rossen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Außerdem sind Frauen demnach häufiger in kleinen Betrieben tätig.
Eine „wesentliche Ursache“ für strukturelle Verdienstunterschiede sei aber auch die hohe Teilzeitquote von Frauen, erklärte das Bundesamt: Männer gingen demnach im vergangenen Jahr im Schnitt 148 Stunden pro Monat einer bezahlten Arbeit nach, Frauen nur 121 Stunden.
Dieser Gender-Hours-Gap nimmt ab dem durchschnittlichen Alter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes (30,5 Jahre) zu: Frauen reduzieren dann häufig ihre Arbeitszeit, während Männer sie eher ausweiten.
Daneben wirkt sich den Statistikern zufolge auch die für Frauen generell niedrigere Erwerbstätigenquote mittel- bis langfristig negativ auf den Verdienst aus. Die neuesten Zahlen zu diesem Gender-Employment-Gap stammen aus dem Jahr 2021: 72,1 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter gingen einer bezahlten Arbeit nach, bei den Männern waren es 79,4 Prozent.
Nach neuesten Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat sich der Unterschied bei der Erwerbstätigkeit in den vergangenen zehn Jahren leicht verringert. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen stieg demnach um 19 Prozent auf 16 Millionen. Bei den Männern legte sie im gleichen Zeitraum um 17 Prozent auf 18,5 Millionen zu.
Aber bei den Frauen geht dieses Beschäftigungsplus vorrangig auf Teilzeitarbeit zurück: „Diese ist in den letzten zehn Jahren um 33 Prozent auf 7,9 Millionen gestiegen, während der Anstieg bei vollzeitbeschäftigten Frauen lediglich acht Prozent betrug“, erklärte die BA. Demnach arbeitete zuletzt fast die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Teilzeit, während es bei den Männern nur knapp 13 Prozent waren.
Die BA und auch das IAB verweisen zudem sowohl bei der Beschäftigung als auch beim reinen Verdienstunterschied auf stark ausgeprägte Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: „Zwei Drittel der erwerbsfähigen Sächsinnen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, aber nur gut jede zweite Frau in Bremen“, erklärte die BA. Der Gender Pay Gap ist laut IAB in Westdeutschland Gap dreimal so groß wie in Ostdeutschland.
Das Statistische Bundesamt kombiniert für seinen neuen Indikator „Gender Gap Arbeitsmarkt“ die drei genannten Gender Gaps: den reinen Verdienstunterschied, Arbeitszeit und Erwerbsbeteiligung. Die strukturelle Verdienstungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt liegt demnach 2022 bei 39 Prozent. In der EU war dieser Wert in 2018, dem letzten Jahr, für das aus allen Ländern die entsprechenden Daten vorlagen, lediglich in Österreich, den Niederlanden und Italien höher als in Deutschland.
Einer Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge verdienten Frauen in 45 von 46 untersuchten Branchen auch im vergangenen Jahr weniger als Männer, wie das WSI in einer am 3. März veröffentlichten Analyse berichtete.
Für die Untersuchung anlässlich des Equal-Pay-Days und des Internationalen Frauentages hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet, die die Jahre 2021 und 2022 beschreiben.
In 45 von 46 Branchen liegen Frauen bei der Bezahlung hinten. Männer verdienten der Studie zufolge 2022 branchenübergreifend im Durchschnitt 24,36 Euro brutto pro Stunde, Frauen 20,05 Euro – eine Differenz von rund 18 Prozent.
Die Differenz schwankte dabei je nach Branche von vier Prozent im Personen- und Güterverkehr bis zu 30 Prozent im Gesundheitswesen und sogar 32 Prozent in der Rechts- und Steuerberatung. Einzige Ausnahme waren der Untersuchung zufolge die Postdienste: Hier war der Stundenlohn der Frauen mit 16,26 Euro zwei Prozent höher als der von Männern mit 15,93 Euro.
Der Equal-Pay-Day, datiert auf den 7. März, gibt symbolisch an, bis zu welchem Tag im Jahr Frauen praktisch unbezahlt gearbeitet haben, obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer leisten, die bereits seit dem 1. Januar bezahlt werden.
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