Deutschland nimmt Zusammenarbeit mit UN-Hilfswerk in Gaza wieder auf

Berlin – Die Bundesregierung will ihre Zusammenarbeit mit dem umstrittenen UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) im Gazastreifen fortsetzen. Das teilten das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) heute mit. Nach Aussagen von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die gegenwärtig Israel und die palästinensischen Gebiete besucht, soll dies bereits „in Kürze“ geschehen.
Hintergrund seien die jüngsten Empfehlungen eines Berichts der von den Vereinten Nationen eingesetzten Gruppe unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Der kurzfristige Finanzbedarf von UNRWA in Gaza sei derzeit durch vorhandene Gelder gedeckt, hieß es weiter.
UNRWA war im Januar in die Schlagzeilen geraten, weil Israel behauptete, zwölf Mitarbeiter seien in das Massaker der Hamas vom 7. Oktober verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert. Einige der wichtigsten Geldgeber, darunter die USA und Deutschland, setzten Zahlungen daraufhin vorübergehend aus.
In dem diese Woche in New York vorgestellten Bericht von Colonna kamen unabhängige Experten zu dem Schluss, UNRWA habe eine Reihe „robuster“ Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf.
„Mit der Fortsetzung der akuten Zusammenarbeit stützen wir die lebenswichtige und derzeit nicht zu ersetzende Rolle von UNRWA für die Versorgung der Menschen in Gaza, denn auch andere internationale Hilfsorganisationen sind auf die operativen Strukturen von UNRWA in Gaza derzeit angewiesen“, hieß es in der Erklärung zudem.
Schulze sagte in Tel Aviv, der Bericht von Colonna habe deutlich gemacht, „dass es in einigen Schlüsselbereichen Verbesserungen geben muss“. Sie sei sehr froh, dass die UN „diesen Reformbedarf umsetzen wollen“. Man dürfe bei aller Kritik nicht vergessen, „dass die Situation sehr schwierig ist“, sagte sie mit Blick auf den Gazastreifen.
Angesichts der humanitären Katastrophe dort gebe es zu UNRWA „keine Alternativen“, sagte sie. „Ohne UNRWA wird es nicht gehen.“ Zuletzt hatten nach Angaben aus Berlin etwa auch Australien, Kanada, Schweden und Japan ihre Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk wieder aufgenommen.
Deutsche Zusammenarbeit seit Ende Januar eingefroren
Die deutsche Zusammenarbeit mit UNRWA im Gazastreifen lag seit Ende Januar auf Eis. Für die Arbeit der Organisation in anderen Regionen floss aber weiter Geld: So stellte die Bundesregierung Ende März dem Palästinenserhilfswerk 45 Millionen Euro für die Arbeit in Jordanien, Libanon, Syrien und im Westjordanland zur Verfügung. Die Bundesregierung unterstützte das UN-Hilfswerk UNRWA eigenen Angaben nach allein im Jahr 2023 mit mehr als 200 Millionen Euro.
Die Bundesregierung habe sich mit den von Israel erhobenen Vorwürfen gegen UNRWA intensiv auseinandergesetzt und sich hierzu eng mit der israelischen Regierung, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Gebern ausgetauscht, hieß es in der Erklärung weiter.
Sie werde sich mit ihren engsten internationalen Partnern zur Auszahlung weiterer Mittel eng abstimmen. Angesichts der katastrophalen Lage der Menschen im Gazastreifen gab es zuletzt immer wieder Aufrufe, das Palästinenserhilfswerk weiter zu unterstützen.
Deutschland forderte zugleich, die Empfehlungen des Colonna-Berichts müssten nun unverzüglich umgesetzt werden. Hierbei kämen der Stärkung der UNRWA-Innenrevision und ihrer Besetzung mit internationalem UN-Personal, der verbesserten externen Aufsicht über das Projektmanagement, einem weiteren kontinuierlichen Abgleich der UNRWA-Beschäftigtenlisten mit den israelischen Sicherheitsbehörden sowie dem Ausbau der internen Fortbildung eine besondere Bedeutung zu.
Der Direktor des Genfer Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Gian Carlo Cirri, warnte unterdessen vor einer Hungersnot, wenn nicht massiv mehr Nahrungsmittel verteilt werden. „Die Situation ist extrem besorgniserregend“, sagte er bei der Vorstellung eines Berichts über die Hungerkrisen der Welt in Genf. „Wir kommen einer Hungersnot jeden Tag näher.“ Er erinnerte an bereits veröffentlichte Einschätzungen, dass ein Drittel der Kinder im Gazastreifen unter zwei Jahren akut unterernährt sind.
„Es gibt hinreichende Anzeichen dafür, dass alle drei Schwellenwerte für eine Hungersnot –Ernährungsunsicherheit, Unterernährung und Sterblichkeit – in den nächsten sechs Wochen überschritten werden“, sagte Cirri. Menschen äßen teils Tierfutter, um zu überleben. Eine Hungersnot könne nur abgewendet werden, wenn es sofort deutlich aufgestockte und anhaltende Nahrungsmittellieferungen gebe.
Israel führt seit dem verheerenden Überfall palästinensischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober mit 1.200 Toten Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen. Es hat das Küstengebiet weitgehend abgeriegelt.
UN-Organisationen werfen Israel vor, Hilfskonvois mit Lieferungen für die Zivilbevölkerung nur schleppend abzufertigen und bei den anhaltenden Militärschlägen nicht genügend Sicherheit für die Verteilung von Gütern zu gewährleisten. Israel weist die Vorwürfe zurück.
Behörden veröffentlichen in sozialen Medien immer wieder Bilder von gefüllten Märkten auch im Norden des Gazastreifens, wo die humanitäre Lage als besonders katastrophal gilt, und legen nahe, dass es dort keine Hungerkrise gibt.
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