Medizin

Diätpille bessert kardiale Risiken

  • Montag, 11. April 2011

Durham – Der umstrittene Schlankmacher Qnexa®, dessen Zulassung die US-Arzneibehörde FDA aufgrund verschiedener Risiken jüngst abgelehnt hat, erzielte in einer Phase-III-Studie im Lancet (2011; doi: 10.1016/S0140-6736(11)60205-5) nicht nur eine gute Reduktion des Körpergewichts.

Auch einige diabetologische und kardiovaskuläre Risikomarker besserten sich. Die Wirkung blieb laut den Ergebnissen einer Nachfolgestudie, die auf der Jahrestagung des American College of Cardiology vorgestellt wurde, auch nach zwei Jahren erhalten.

Qnexa enthält die Wirkstoffe Phentermin und Topiramat. Phentermin wurde bereits 1959 von der FDA als Appetitzügler zugelassen. Seine Wirkung beruht auf der vermehrten Freisetzung von Noradrenalin, das als Hormon der Stressreaktion den Appetit zügelt.

In den 90er Jahren war es Bestandteil von “Fen-Phen”, das wegen einer erhöhten Rate von Herzklappenfehlern verboten wurde. Diese Komplikation wurde allerdings dem Fenfluramin (“Fen”) zugeschrieben. Phentermin (“Phen”) wurde als unbedenklich eingestuft. Es wird heute sogar als Generikum gehandelt.

In Deutschland ist Phentermin nicht zugelassen. Topiramat ist ein bewährtes und auch in Deutschland verbreitetes Anti-Epileptikum, zu dessen bekannten Nebenwirkungen eine Gewichtsreduktion zählt. Der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus ist komplex und nicht vollständig geklärt.

Topiramat hat noch weitere Nebenwirkungen. Es kann Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis beeinträchtigen und eine metabolische Azidose und Nierensteine induzieren. Seine Einnahme wird mit einem erhöhten Suizidrisiko in Verbindung gebracht. Topiramat steht außerdem im Verdacht teratogen zu sein. Erst kürzlich hatte die FDA auf das erhöhte Risiko von oralen Spaltbildungen hingewiesen.

Diese Risiken mögen in der Behandlung der Epilepsie unter Umständen vertretbar sein. Bei einer Diätpille, deren Anwendung kaum kontrolliert werden kann, sind sie es nach Ansicht der FDA jedoch nicht.

Externe Gutachter hatten der FDA im Juli letzten Jahre aber auch deshalb von einer Zulassung des Abmagerungsmittel Qnexa mehrheitlich abgeraten, weil die kardiovaskulären Auswirkungen von Phentermin unklar sind. Phentermin erhöht die Herzrate, was sich ungünstig auf den Blutdruck auswirken könnte. Im Oktober folgte die FDA dem Votum der Gutachter und verweigerte eine Zulassung.

Der Hersteller hat die Hoffnung nicht aufgegeben, zumal mit Lorcaserin (Risiko: Herzklappenfehler) und Contrave® (Risiko: Suizidalität, Epilepsie, Blutdruckanstieg) zwei Konkurrenten in den letzten Monaten gescheitert sind. Um die FDA vom Wert von Qnexa zu überzeugen, wurde eine Phase-III-Studie (CONQUER) durchgeführt.

An 93 US-Zentren waren 2.487 Patienten mit einem BMI von 27-45 kg/m2 und zwei oder mehr Komorbiditäten wie Typ-2-Diabetes mellitus oder Koronare Herzkrankheit entweder mit Placebo oder Qnexa in zwei unterschiedlichen Dosierungen behandelt. Beide Dosierungen waren Placebo signifikant überlegen.

Wie Kishore Gadde und Mitarbeiter des Duke University Medical Center in Durham/North Carolina berichten, wurde das Körpergewicht unter der höheren Dosierung (15,0 mg Phentermin plus 92,0 mg Topiramat) um fast 10 Prozent reduziert. Das ist doppelt so viel wie in einer Studie unter Lorcaserin.

Qnexa bessert auch die kardiovaskulären Risikofaktoren. Unter der Hochdosis-Therapie konnten 15 Prozent der Hypertoniker auf ihre Medikamente verzichten (5 Prozent unter Placebo), bei Typ-2-Diabetikern sanken Nüchternblutzucker und HbA1c-Wert. Die Zahl der Neuerkrankungen am Typ-2-Diabetes mellitus wurde ebenfalls gesenkt.

Diese Vorteile sind gegen die Risiken abzuwägen, bei denen es ebenfalls eine Dosis-Wirkungsbeziehung gab. Laut Gadde klagten 21 Prozent über einen trockenen Mund, 21 Prozent über Parästhesien, 17 Prozent über Obstipation, 10 Prozent über Schlaflosigkeit, 10 Prozent über Schwindelgefühle und 19 Prozent über Geschmacksstörungen (Dysgeusie).

Die Delegation des Diätwillens auf die Medikamente führte bei 7 Prozent zu Depressionen und bei 8 Prozent zu Angstreaktionen. Fehlbildungen sind bei den 34 Teilnehmerinnen, die während der Studie schwanger wurden, nicht aufgetreten, versichert Gadde.

Auf der Jahrestagung der American College of Cardiology in New Orleans stellten Michael Davidson von der Universität Chicago und Mitarbeiter die Ergebnisse der Nachfolgestudie (SEQUEL) vor. An ihr hatten 675 der 2487 Patienten teilgenommen. Sie führten die Therapie über ein weiteres Jahr fort und konnten im Wesentlichen die Ergebnisse des ersten Jahres halten.

Der Hersteller hebt in seiner Pressemitteilung die Reduktion des Arzneimittelbedarfs bei den Hypertonikern und die Besserung der Lipidparameter hervor. Auf die Untergruppe der Diabetiker geht sie nicht ein, so dass man vermuten darf, dass die Ergebnisse hier möglicherweise nicht so überzeugend waren. Wann der Hersteller einen erneuten Antrag stellt und wann die FDA darüber befindet, steht noch nicht fest.

rme

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