Ärzteschaft

„Die Mehrheit muss anerkennen, dass es dieses Problem gibt“

  • Montag, 29. Januar 2024

Berlin – In Deutschland gehen in diesen Tagen Hunderttausende Menschen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straße. Auch die Ärzteschaft hat sich in den vergangenen Tagen vermehrt klar positioniert. Das Thema ist auch eines, das am Gesundheitswesen nicht vorbei geht, sagt Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg.

Pedram Emami /Ilan Hamra
Pedram Emami /Ilan Hamra

5 Fragen an Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg

Die neuen Ergebnisse des Nationalen Diskriminierungs- und Rassis­mus­monitors mit dem Schwerpunkt Gesundheit machen deutlich, dass der Rassismus auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt macht. Überrascht Sie das?
Nein. Das Gesundheitswesen ist Teil der Gesellschaft. Und warum sollte ein spezieller Teil der Gesellschaft sich anders verhalten als der Rest?

Viele denken beim Gesundheitswesen ja nicht an Rassismus, weil es darum geht Menschen, die Hilfe bedürfen, zu behandeln. Muss man jetzt mehr sensibilisieren und wessen Aufgabe ist dies?
Betroffen sind ja nicht nur Patientinnen und Patienten. Auch Ärztin­nen und Ärzte können diskriminiert werden– und zwar von Patien­tinnen und Patienten, aber auch von eigenen Kolleginnen und Kolle­gen und/oder Vorgesetzten.

Und für diese Kolleginnen und Kollegen müssen wir Ärztekammern die Möglichkeit bieten, dass man sich an uns wenden und Rat, gegebenenfalls Unterstützung suchen kann.

Schon allein zur Wahrung der Berufsordnung, die ja sowohl die Gleichbehandlung aller Patientinnen und Patienten, aber auch kollegiales Verhalten vorschreibt. Wir können aber noch mehr tun. Zum Beispiel durch Fortbildungen im Bereich der Kommunikation und interkulturellen Umgangs Kompetenzen aufbauen.

Da kann die Ärzteschaft vorweggehen und Beispiel gebend für andere Bereiche des Gesundheitswesens und der Gesellschaft sein. Denn am Ende ist der Kampf gegen Diskriminierung eine gesamtgesellschaftliche Auf­gabe.

Wie haben Sie selbst in Ihrem Berufsleben bislang das Thema Rassismus wahrgenommen? Gehört dazu auch unbewusster Rassismus?
Ich könnte sehr viel erzählen von Dingen, die ich persönlich erfahren und beobachtet habe oder die mir be­richtet wurden; da würden sich die Menschen wundern, dass es das gibt. Leider ist ein Großteil davon schon sehr bewusst und gezielt gewesen. Aber es gab natürlich auch missglückte Formulierungen, Unwissenheit und gut gemeinte, aber leider schlecht formulierte Kommentare.

Deshalb ist es wichtig, nicht alles als „gleich schlimm“ zu deklarieren und sofort und für jedes diskriminie­ren­de Verhalten Maximalstrafen zu fordern. Denn so wichtig es ist, Missstände anzusprechen, so wichtig ist es auch, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, diesen Weg der Veränderung und Bewusstwerdung mitzugehen. Und das gelingt meines Erachtens nur, wenn man mit Augenmaß vorgeht.

Die Ärztekammer Hamburg hat vergangenes Jahr als erste Kammer eine Anti-Diskriminierungs-Stelle eingerichtet. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Es ist wahrscheinlich noch zu früh, große Zahlen und Statistiken zu erwarten. Fakt ist: Wir bekommen Anfra­gen auch überregional. Das zeigt: Das Thema ist präsent und Menschen wollen sich Rat holen. Ich glaube aber auch, dass nach wie vor gerade im kollegialen Bereich die Hemmschwelle hoch und die Sorgen groß sind, bevor man sich selbst an eine Stelle wie die Antidiskriminierungsstelle unserer Kammer wendet.

Nicht selten steckt die Sorge dahinter, dem eigenen beruflichen Werdegang damit zu schaden. Gerade des­wegen wollen wir mit dieser Stelle – neben der angebotenen Beratung und Orientierung – als Institution auch signalisieren: Die Kammer steht hinter euch, toleriert Fehltritte nicht und hört, wenn gewünscht, auch nur zu – gegebenenfalls natürlich auch anonym.

Wie glauben Sie kann man innerhalb der verschiedenen Versorgungsbereiche im Gesundheitswesen dem Rassismus entgegentreten?
Die Mehrheit muss anerkennen, dass es dieses Problem gibt. Das ist der erste Schritt. Aber es geht um mehr. Rassismus stellt nur einen Teilaspekt von Diskriminierung dar. Täglich werden Patientinnen und Patienten von Ärztinnen und Ärzte (oder umgekehrt), aber auch Ärztinnen und Ärzte von eigenen Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Gründen diskriminiert.

Nicht selten geht es dabei um das Geschlecht, aber auch um Hautfarbe, ethnischen oder religiösen Hinter­grund, sexuelle Orientierung und so weiter. Dabei müssen wir im Gesundheitswesen erstens in den eigenen Einrichtungen, also hier den Ärztekammern, für das Thema Diskriminierung sensibilisieren und dann natürlich auch im Auftreten gegenüber der Außenwelt formulieren, was wir nicht hinnehmen werden. Und zwar klar und nicht relativierend.

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