Ärzteschaft

Die Möglichkeiten der Prävention sind lange nicht ausgeschöpft

  • Dienstag, 3. September 2024
/Zerbor, stock.adobe.com
/Zerbor, stock.adobe.com

Berlin – Prävention kann in unterschiedlichen Lebensbereichen die Gesundheit der Menschen fördern. Die Mög­lichkeiten, die die Gesundheitsförderung hat, sind dabei lange nicht ausgeschöpft.

Das wurde auf der Statuskonferenz „Prävention und Gesundheitsförderung: gemeinsam weiterentwickeln und gestalten“ der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) deutlich, die anlässlich des 70-jährigen Verbandsjubiläums stattfand.

Positive Effekte auf die menschliche Gesundheit kann Prävention dabei zum Beispiel in den Bereichen Bewe­gungsförderung, Klimaschutz und psychische Gesundheit haben.

Klaus Pfeifer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, dass viele Menschen die Be­wegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht einhielten. Die WHO empfiehlt entweder 150 Minuten ausdauerorientierte Bewegung mit moderater Intensität oder 75 Minuten mit hoher Intensität; zu­dem zwei Tage Muskelkräftigung. Wie Pfeifer erklärte, nehme die Bewegung mit zunehmendem Alter ab.

Ärmere Menschen bewegen sich weniger

Während in der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren noch 64,6 Prozent der Menschen die Empfehlungen zur Ausdaueraktivität umsetzten und 43,4 Prozent die Empfehlungen zur Ausdaueraktivität und Muskelkräftigung, seien es in der Altersgruppe zwischen 30 und 44 Jahren noch 49,9 beziehungsweise 28,2 Prozent. Im Alter zwi­schen 45 und 64 Jahren übten nur noch 46,8 Prozent Ausdaueraktivität aus und 23,1 Prozent Ausdaueraktivität und Muskelkräftigung.

„Menschen mit geringem Einkommen sind dabei deutlich weniger aktiv als Menschen mit höherem Einkommen“, erklärte Pfeifer. „Es gibt eine höhere Wahrscheinlichkeit, nicht sportlich aktiv zu sein bei höherem Alter, geringe­rem Einkommen, niedrigerem Bildungsniveau und bestehendem Migrationshintergrund.“

Auch Mädchen und Jungen aus Familien mit niedrigem familiärem Wohlstand trieben seltener mehrfach in der Woche Sport als jene aus wohlhabenderen Familien. Und die COVID-19-Pandemie habe das Problem Bewe­gungs­mangel noch einmal verdeutlicht.

Nationales Kompetenzzentrum für Bewegungsförderung

„Bislang gibt es in Deutschland eher vereinzelte, nicht aufeinander abgestimmte Aktivitäten zur Förderung der Bewegung“, sagte Pfeifer. Bei vielen handele es sich um Projektvorhaben, die Gefahr liefen, nach Beendigung des Projekts nicht weiter gefördert zu werden.

„Aus Wissenschaft und Praxis kam in den letzten Jahren verstärkt die Forderung nach einer koordinierenden Struktur für Bewegungsförderung im Sinne eines Nationalen Kompetenzzentrums“, so Pfeifer.

Nach einem Runden Tisch Bewegung und Gesundheit des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hat das BMG angekündigt, die Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung aktualisieren und erwei­tern zu wollen.

„Mit dem Ziel, vorhandenes Wissen zu bündeln, aufzubereiten und verfügbar zu machen sowie Akteure und ihre Maßnahmen zu koordinieren, soll ein Nationales Kompetenzzentrum für Bewegungsförderung geschaffen wer­den“, so das BMG weiter. In einem ersten Schritt hat das BMG ein Gutachten zur konkreten Ausgestaltung des Kompetenzzentrums in Auftrag gegeben.

Gesundheit für alle Politikbereiche

Karin Geffert vom Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie (IBE) der Ludwig-Maximilians-Universität in München wies darauf hin, dass Maßnahmen, die die menschliche Gesundheit fördern, auch gut für das Klima seien.

Darunter fielen insbesondere eine ausreichende Bewegung und eine gesunde Ernährung. Mehr Bewegung kön­ne man dabei fördern, indem man ausreichend Geh- und Fahrradwege anlege. Das Narrativ dazu könne lauten: Weg von der Krise und hin zur Förderung der eigenen Gesundheit.

Geffert schlug vor, die gängige Forderung nach Gesundheit in allen Politikbereichen zu erweitern. „Zugleich sollte es darum gehen, Gesundheit für alle Politikbereiche zu ermöglichen“, sagte sie. Es sei die Aufgabe der Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens zu verdeutlichen, welche Vorteile eine gute Gesundheit der Bevölkerung für alle Politikbereiche habe. „Das gilt es, einmal durchzudeklinieren“, sagte Geffert.

Steffi Riedel-Heller vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) des Universitäts­kli­nikums Leipzig erklärte, welches Potenzial die Prävention bei der Vermeidung psychischer Erkrankungen hat. „In Deutschland gibt es immer mehr Menschen mit einer psychischen Erkrankung“, sagte Riedel-Heller. Eine Präven­tion psychischer Erkrankungen sei möglich, zum Beispiel im Bereich der Demenz.

Riedel-Heller berichtete von der Agewell-Studie, bei der über 1.000 Teilnehmende zwischen 60 und 77 Jahren unter anderem körperlich und sozial aktiviert worden seien. Die Aktivierung habe positive Auswirkungen auf das Demenzrisiko gehabt, auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und auf depressive Symptome bei Frauen.

„Wir wissen, dass wir hier aktiv werden können“, sagte sie. „Wir wissen hier viel über die Verhaltensprävention. Ich frage mich aber, wo die Verhältnisprävention bleibt, zum Beispiel im Bereich der Bewegungsförderung.“

Auch Grünflächen können die psychische Gesundheit der Menschen fördern, wie die British Household Panel Studie ergeben habe. Demnach sei ein Umzug in eine Gegend mit höherem Grünanteil bis drei Jahre nach dem Umzug mit signifikanten Verbesserungen in der psychischen Gesundheit assoziiert gewesen. „Der Umzug in eine Gegend mit niedrigerem Grünanteil ging kurzfristig mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit einher“, so Riedel-Heller.

fos

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung