DiGA-Report: Apps auf Rezept knapp eine Million Mal genutzt

Berlin – Nach vier Jahren digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) ist die App auf Rezept knapp eine Million Mal genutzt worden. Das zeigt der zweite DiGA-Report des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV).
Der Report analysiert die Verordnungen und Nutzung von DiGA im Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2024. Bis Ende Dezember wurden demnach rund 870.000 DiGA-Freischaltcodes eingelöst.
Der Report geht deshalb davon aus, dass bis diese Zahl bis heute bei einer knappen Million liegt. Zum Vergleich: Bis zum Stichtag des ersten Reports (bis zum 30. September 2023) wurden DiGA rund 375.000 Mal genutzt.
Zum 31. Dezember 2024 gab es dem DiGA-Verzeichnis am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zufolge 59 verschiedene Apps auf Rezept. Das seien 20 Prozent mehr als im Vorjahr gewesen, heißt es im Report. Mehr als zwei Drittel der zunächst vorläufig ins BfArM-Verzeichnis aufgenommenen DiGA sind inzwischen dauerhaft gelistet.
Angesichts dieser Zahlen würden sich DiGA nach und nach zum dritten relevanten Sektor im Gesundheitsbereich, neben der ambulanten und stationären Versorgung entwickeln, betonte der SVDGV.
Zudem gebe es immer wieder saisonale Schwankungen. In den Dezembermonaten sei etwa ein wiederkehrender Rückgang der Verschreibungen zu beobachten. Ein weiterer Rückgang gab es von März 2023 zu April 2023, dieser sei mit einem Cyberangriff auf den IT-Dienstleister Bitmarck zu erklären.
Damals konnten viele Krankenkassen weder die DiGA-Freischaltcodes generieren noch bereits generierte Codes validieren. Durchschnittlich sind die Einlösezahlen aber monatlich um 14 Prozent gewachsen, wenn man den gesamten Zeitraum seit Herbst 2020 berücksichtigt.
Großer Anteil von Frauen und Babyboomern
Darüber hinaus ist der Frauenanteil unter den Nutzenden der DiGA weiterhin hoch. Rund 75 Prozent der Menschen, die DiGA nutzen, sind Frauen, heißt es in dem Report. Dies könne mehrere Gründe haben, einige Apps richten sich etwa aufgrund gynäkologischer Themen ausschließlich an Frauen.
Hinsichtlich des Alters würden Erwachsene aller Altersgruppen DiGA nutzen, heißt es weiter. Den größten Anteil habe die Altersgruppe der 50-64-Jährigen, dazu würde aber auch die allgemeine Altersverteilung der Bevölkerung beitragen.
Die Daten bestätigen nach Ansicht von Anna Haas, Vorständin beim SVDGV, dass Patienten und Ärzte das Potenzial von DiGA immer mehr schätzen. Sie würden erkennen, dass DiGA sowohl Versorgungslücken schließen könnten als auch eine moderne und bessere Gesundheitsversorgung ermöglichten.
„Außerdem spricht die Anzahl der zunächst vorläufig und inzwischen dauerhaft ins BfArM-Verzeichnis aufgenommenen DiGA für das Erfolgsmodell des DiGA-Fast-Track-Verfahrens.“ Das Fast-Track-Verfahren ermöglicht eine schnelle Listung der Apps innerhalb von drei Monaten.
Nicht zuletzt dank dieses Prozesses würden DiGA inzwischen als Vorbild für die Gesundheitssysteme in anderen Ländern gelten, so der Verband. In Frankreich könnten Patienten nun auch von entsprechenden digitalen Therapien profitieren.
Dort gebe es etwa das sogenannte Prise en Charge Anticipée Numérique des Dispositifs Médicaux (PECAN)-Verfahren zur Erstattung von Produkten aus dem Bereich Telemonitoring. Auch in Österreich läuft derzeit eine Pilotphase zur Einführung von DiGA. Die Implementierung soll bis 2026 abgeschlossen sein.
Bürokratische Hürden lösen
Weiter führt der Report aus, dass eine breite DiGA-Nutzung von bürokratischen und nicht zeitgemäßen Prozessen für die Freischaltung der Apps behindert wird. Weil auch regulatorische Investitionen und Eintrittsbarrieren weiter ansteigen würden, würden immer weniger innovative Produkte in die Versorgung gelangen, heißt es weiter.
„Wir appellieren an die Verantwortlichen, die Chance der neuen Legislaturperiode zu nutzen und die regulatorischen Bedingungen für DiGA zu verbessern“, fordert Henrik Emmert, Vorstand beim SVDGV. Dazu gehöre, die Zugangswege und die Einbindung von DiGA in die Versorgung zu vereinfachen.
Entscheidend sei außerdem, die überbordende Bürokratie abzubauen. „Nur dann können DiGA ihr gesamtes Potenzial entfalten und einen wertvollen Beitrag für eine zukunftsfähige und patientenzentrierte Gesundheitsversorgung leisten“, sagte er.
Der Verband bemängelte, dass nach wie vor eine Verordnung nur auf dem Papierrezept möglich sei, der Code müsse händisch in die App eingegeben werden. „Dieses Vorgehen ist umständlich, kontraintuitiv und fehleranfällig“, kritisierte der SVDGV.
Zudem dauert es dem Digitalverband zu lange, bis Patienten die App nutzen können – im Durchschnitt sind es von der Verordnung bis zur Nutzung rund 14 Tage. Stattdessen brauche es die DiGA auf E-Rezept mit direkter Aktivierung über die E-Rezept-App oder die elektronische Patientenakte, lautet die Forderung.
Die Freischaltcodes, die es über die Krankenkasse gibt, müssten abgeschafft werden. Über die ersten drei Jahre der DiGA-Verordnungen hin betrachtet, seien rund 17 Prozent der Codes nicht eingelöst worden, bemängelte der Verband weiter. Die Vermutung liege nahe, dass die umständlichen Abläufe zu dieser hohen Zahl beitragen würden, heißt es in dem Report. Zum Vergleich: Bei Arzneimitteln liegt die Nichteinlösequote bei etwa zehn Prozent.
Ein weiterer wichtiger Faktor wäre, die Patienten und Behandler mit den Möglichkeiten von DiGA stärker vertraut zu machen, schlägt der Verband vor. Zudem müssten DiGA stärker in weitere hybride Modelle verankert werden, etwa in die ePA, Hilfsmittel oder Telemonitoring-Programme.
Damit könnten die Apps auf Rezept ein niederschwelliger, skalierbarer und effektiver Lösungsansatz für die großen Herausforderungen der Gesundheitsversorgung in Deutschland sein. Dazu gehörten die alternde Gesellschaft, der verschärfte Fachkräftemangel und das sich verstärkende Stadt-Land-Gefälle bei den Versorgungsstrukturen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: