Diphtherie-Antitoxin: Gesundheitsministerium sah Verfügbarkeit gewährleistet

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat heute Kritik zurückgewiesen, es habe nichts gegen eine Versorgungslücke bei Diphtherie-Antitoxin unternommen. Eine solche Versorgungslücke besteht nach Angaben des Ministeriums nicht. „Bislang konnte nach Kenntnis des BMG in Deutschland eine Verfügbarkeit über die Notfalldepots gewährleistet werden“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums dem Deutschen Ärzteblatt mit.
Das Ministerium wies darauf hin, dass Diphtherie-Antitoxin zu den Arzneimitteln gehört, für die nach der Apothekenbetriebsordnung eine Vorratshaltung oder eine kurzfristige Beschaffung sichergestellt werden muss. Dazu würden diese Arzneimittel in den von den Landesapothekerkammern eingerichteten Notfalldepots gelagert. Das sei laut BMG bislang der Fall gewesen.
Dazu, dass in den Notfalldepots nur Diphtherie-Antitoxin lagerte, das nicht verkehrsfähig ist – und demnach nur in Fällen mit rechtfertigendem Notstand abgegeben werden darf –, äußerte sich das Ministerium nicht. Wie das Deutsche Ärzteblatt aus gut informierten Kreisen erfuhr, war das Ministerium über diesen Umstand aber seit Jahren informiert.
Das BMG räumte auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes ein, dass es grundsätzlich Probleme gibt. „Diphtherie-Antitoxin ist in Deutschland nicht mehr zugelassen. Wegen des geringen Bedarfs gibt es weltweit nur noch wenige Hersteller, die dieses Arzneimittel produzieren“, hieß es.
Dem Ministerium zufolge haben mehrere europäische Staaten Probleme, Diphterie-Antitoxin-Serum zu beschaffen. Daher habe die Europäische Kommission ein „Joint-procurement (JPA)“ gestartet. Diesem JPA hätten sich neben Deutschland mehrere EU-Staaten angeschlossen. „Ziel ist, durch die Bündelung des Bedarfs mehrerer EU-Staaten gemeinsam Diphtherie-Antitoxin zu beschaffen“, so die BMG-Sprecherin.
Gestern war bekannt geworden, dass sich der Leiter des Zentrums für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Klaus-Peter Zimmer, an das Gesundheitsministerium in Hessen gewendet hatte.
Er berichtet in dem Brief an Klose von einem einjährigen Jungen mit Verdacht auf Diphtherie, der bisher keine Impfung erhalten hatte. Für die Therapie habe man sich über die Krankenhausapotheke „mit den Notfalldepots bundesweit in Verbindung“ gesetzt. Erhalten habe man sechs seit März 2014 abgelaufene Antitoxinpräparate.
Hintergrund ist, dass es weltweit nur drei mögliche Produktionslinien gibt. Japan produziert, hat aber einen Exportstopp. Die Chargen aus Kroatien, die in Deutschland eingelagert worden waren und fast alle aufgebraucht sind, sind sämtlich zum 31. März 2014 abgelaufen. Eine russische Produktionslinie mit dem Antitoxin, die im März 2019 von verschiedenen Apothekerkammern geordert worden war, enthält eine zu geringe Dosierung des Wirkstoffs.
Das hat derzeit zur Folge, dass die beiden in Deutschland verfügbaren Diphtherie-Antitoxine beide nicht verkehrsfähig sind. Heißt: Sie dürften eigentlich nicht abgegeben werden. Bei einer Abgabe und Verwendung muss ein rechtfertigender Notstand vorliegen. Die Haftung liegt beim Arzt und Apotheker.
Aus gut informierten Kreisen heißt es, die ABDA habe das Ministerium bereits mehrfach um rechtliche Klärung gebeten, auf welchem Wege man die Versorgungssicherheit in Notfällen bei Diphtherie aufrecht erhalten solle.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: