Diskussion um Urteile in der Coronapandemie

Berlin – Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu Corona sind in den vergangenen Tagen kritisiert worden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellte sich nun ausdrücklich hinter die Richter und wies die Kritik an ihnen zurück.
„Deutschland kann stolz sein auf seine hervorragend qualifizierte und unabhängige Richterschaft. Sie öffnet den Zugang zum Recht und erweckt die Idee des Rechtsstaats zum Leben“, schrieb der FDP-Politiker gestern Abend auf Twitter. „Daher verdient sie Respekt – und zwar unabhängig davon, ob dem Betrachter jede Entscheidung gefällt“, fügte Buschmann hinzu.
Zuvor hatte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds (WMA), Frank Ulrich Montgomery, Richter für einige Urteile zu Coronaregeln heftig kritisiert. „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten“, sagte Montgomery der Welt.
Da maße sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen hätten, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen. „Da habe ich große Probleme. Es gibt Situationen, in denen es richtig ist, die Freiheitsrechte hinter das Recht auf körperliche Gesundheit – nicht nur der eigenen Person, sondern Aller – einzureihen. Und eine solche Situation haben wir“, sagte er.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) distanzierte sich von den Äußerungen. Die Ausdrucksweise „kleine Richterlein“ sei „nicht akzeptabel und unerträglich“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Auch wenn dem Einzelnen nicht jede Entscheidung gefallen möge, könne man in Deutschland stolz sein auf eine unabhängige Richterschaft. „Sie verkörpert die Idee des Rechtsstaats und ist ein wertvoller Pfeiler der Bundesrepublik.“
Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) verwahrte sich gegen die Äußerungen Montgomerys. Diese seien „in der Sache unqualifiziert und im Ton unangemessen“. „Im Ton lassen die Ausführungen Montgomerys den gebotenen Respekt vor gerichtlichen Entscheidungen und den Menschen vermissen, die sie zu treffen haben.“
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte am 16. Dezember die 2G-Regel im Einzelhandel des Bundeslandes gekippt. Die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, entschied das Gericht.
Unter anderem beanstandete der Senat, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zum tatsächlichen Infektionsrisiko im Einzelhandel fehlten. Zudem könnte der Staat Kunden auch im Einzelhandel verpflichten, eine FFP2-Maske zu tragen. Dies würde das Infektionsrisiko derart absenken, „dass es nahezu vernachlässigt werden könne“, erklärte das Gericht.
Bund und Länder hatten am 2. Dezember beschlossen, dass bundesweit und unabhängig von der Inzidenz 2G im Einzelhandel gelten soll. Ausnahmen von der 2G-Regel gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs, also etwa Supermärkte und Drogerien.
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