Medizin

Dranginkontinenz: „Botox“ in Studie sakraler Neuromodulation überlegen

  • Donnerstag, 6. Oktober 2016

Durham/North Carolina – Eine einmalige Injektion von OnabotulinumtoxinA („Botox“) war in einer randomisierten Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; 316: 1366-1374) besser in der Lage, die Symptome einer Dranginkontinenz über einen Zeitraum von sechs Monaten zu mildern, als die Implantation eines Beckenbodenschrittmachers zur sakralen Neuromodulation. Sie war jedoch häufiger mit Nebenwirkungen verbunden.

Viele ältere Frauen leiden unter einer überaktiven Blase, die, wenn sie nicht rechtzeitig die Toilette erreichen, zu einer Dranginkontinenz führen kann. Die betroffenen Frauen versuchen zunächst, sich auf die Situation einzustellen, indem sie weniger Flüssigkeiten zu sich nehmen oder koffeinhaltige Getränke meiden.

Als erste therapeutische Maß­nahme wird ein Beckenbodentraining oder die Behandlung mit Anticholinergika empfoh­len. In therapierefraktären Fällen besteht die Möglichkeit, einen Becken­boden­schritt­macher zu implantieren. Dabei werden über kleine Elektroden die Nervenfasern in den Sakralforamina stimuliert. Die genaue Wirkungsweise ist nicht bekannt. Die Effektivität gilt jedoch als erwiesen. Die ersten Geräte wurden bereits in den 90er-Jahren eingeführt. Eine Alternative besteht in der Injektion von Botulinumtoxin in die Blasenwand. Die Behandlung erfolgt minimalinvasiv während einer Blasen­spiegelung.

Das von den National Instituts of Health geförderte Pelvic Floor Disorders Network hat die beiden Behandlungen jetzt erstmals in einer randomisierten Studie an einer größeren Zahl von Patientinnen miteinander verglichen. An der ROSETTA-Studie (Refractory Overactive Bladder: Sacral Neuromodulation vs Botulinum Toxin Assessment) nahmen an neun US-Zentren 364 Frauen teil, die trotz mindestens einer angeleiteten Physiotherapie und mindestens zwei medikamentösen Behandlungs­versuchen weiter unter einer Dranginkontinenz litten.

Die Teilnehmerinnen wurden per Los der Implantation eines Beckenbodenschritt­machers oder einer zystoskopischen Injektion von 200 Einheiten OnabotulinumtoxinA in den Detrusormuskel zugeordnet. Primärer Endpunkt war die Veränderung in der Anzahl der täglichen Dranginkontinenz-Episoden, die im Verlauf von sechs Monaten monatlich an drei Tagen in einem Tagebuch protokolliert wurden.

Wie Cindy Amundsen von der Duke University in Durham/North Carolina und Mitarbeiter berichten, kam es nach der Injektion von OnabotulinumtoxinA zu einem Rückgang der Dranginkontinenz-Episoden um 3,9 pro Tag gegenüber einem Rückgang um 3,3 Episoden pro Tag nach Implantation des Beckenbodenschrittmachers. Der Unterschied von 0,63 Episoden pro Tag war zwar gering, mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,13 bis 1,14 Episoden jedoch statistisch signifikant.

Deutlicher war der Unterschied im Anteil der Patientinnen, die über einen Rückgang der Episoden um mehr als 75 Prozent berichteten. Dies war nach den OnabotulinumtoxinA-Injektionen bei 63 von 127 (50 Prozent) der Patientinnen der Fall gegenüber 28 von 99 Patientinnen (27 Prozent) mit Beckenbodenschrittmacher. In einem Symptomfrage­bogen (Overactive Bladder Questionnaire SF) und anderen sekundären Endpunkten zeigten sich die Frauen nach den OnabotulinumtoxinA-Injektionen zufriedener als nach Implantation des Becken­bodenschrittmachers. Hinsichtlich der Lebensqualität, der Bequemlichkeit und der Nebenwirkungen gab es keine Unterschiede. In etwa gleich viele Frauen sagten, dass sie die Behandlung bevorzugen würden.

Die OnabotulinumtoxinA-Injektionen waren nicht frei von Nebenwirkungen: Es kam häufiger zu Harnwegsinfektionen (35 versus 11 Prozent), und im ersten Monat mussten sich acht Prozent der Frauen wegen einer Entleerungsstörung selbst katheterisieren. Diese Rate war zwar nach sechs Monaten auf zwei Prozent gesunken, sie dürfte aber nach jeder Wiederholung der OnabotulinumtoxinA-Injektionen wieder ansteigen. Der größte Nachteil der Beckenbodenschrittmacher waren Revisionen und Entfernungen des Gerätes, die bei drei Prozent der Teilnehmerinnen erforderlich wurden.

rme

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