Drosten: Abwarten wäre ein Fehler gewesen

Erfurt – Aus Sicht des Virologen Christian Drosten hätte ein längeres Zögern mit Coronamaßnahmen in der ersten Infektionswelle der Pandemie viele Menschenleben in Deutschland gekostet.
„Ich kann also deutlich sagen: Es wäre ein Fehler in der politisch-verantwortlichen Infektionskontrolle zu warten, bis das Gesundheitssystem erste Überlastungsanzeichen zeigt“, sagte Drosten im Thüringer Untersuchungsausschuss. Der 53-Jährige ist Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin und war im Thüringer Landtag als Sachverständiger geladen.
Drosten zeigte den Abgeordneten Daten zur ersten Infektionswelle in Großbritannien und in Deutschland. Demnach warteten die Briten mit dem Hochfahren der Infektionsschutzmaßnahmen drei Wochen länger als die Deutschen.
Der Virologe rechnete vor, dass es in Deutschland im betrachteten Zeitraum wohl rund 70.000 Tote gegeben hätte statt der rund 9.300, wenn es den Weg Großbritanniens gegangen wäre und mit Maßnahmen noch abgewartet hätte. Es seien also rund 60.000 Menschenleben gerettet worden.
In der gesamten Pandemie habe es etwas unter 180.000 Tote in Deutschland gegeben. „Wir hätten viel mehr erwarten müssen und haben viele, viele Menschenleben in dieser ersten Welle gerettet – alleine durch dieses frühe Eingreifen“, sagte Drosten.
Für das Robert-Koch-Institut (RKI) hat es nach Worten seines früheren Präsidenten Lothar Wieler keine „Pandemie der Ungeimpften“ gegeben. „Im Robert Koch-Institut hatten wir nicht die Ansicht, dass es eine Pandemie der Ungeimpften ist“, sagte Wieler im Untersuchungsausschuss. Für das RKI sei es keine korrekte Begrifflichkeit gewesen.
Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Begriff verwendet – etwa im September 2021 bei Twitter. „Bei Inzidenz und auf Intensivstationen sehen wir: Wir erleben eine anwachsende Pandemie der Ungeimpften. Alle, die können, sollten sich ihren Schutz holen!“, schrieb Spahn damals. Inzwischen ist er Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Der Coronauntersuchungsausschuss soll Fehler und Versäumnisse der Politik in der Coronapandemie aufklären und Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten. Neben dem Untersuchungsausschuss gibt es in Thüringen noch eine Enquetekommission, die auf die Erfahrungen blickt, die in der Coronapandemie gesammelt wurden, und Handlungsempfehlungen für künftige Pandemie- oder sonstige Gesundheitskrisenlagen erarbeiten soll.
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