Vermischtes

E-Health: Soziale Ungleichheit nimmt zu

  • Donnerstag, 8. Dezember 2022
/Prostock-studio, stock.adobe.com
/Prostock-studio, stock.adobe.com

Berlin – Die Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen ist mittlerweile stärker durch die Bevölkerung getrieben als durch die Politik. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle E-Patient Survey, eine jährliche repräsentative Befragung mit 6.000 Teilnehmern. Das führe aber auch zu wachsenden sozialen Ungleichheiten.

Die meisten Menschen hätten ihre Berührungsängste mit digitaler Medizin mittlerweile verloren, erklärt Studienleiter Alexander Schachinger heute bei der Vorstellung der Ergebnisse: „Die Bevölkerung in Deutschland ist bei der digitalen Nutzung von Gesundheitsangeboten weiter als die staatliche Gesundheitspolitik.“ Die Initiative der Bürgerinnen und Bürger ersetze gewissermaßen die gescheiterte Digitalisierungspolitik.

So vermesse mittlerweile jeder zweite Befragte Vitaldaten wie Bewegung, Schlaf, Stress oder Schmerzen mit digitalen Helfern. 17 Prozent nutzen demnach regelmäßig eine Medikamenten-App und 16 Prozent scannen mit dem Handy ihr Rezept zur Online-Bestellung ein.

Ebenfalls 16 Prozent gaben an, Online-Arztsprechstunden zu nutzen. Der Wert sei seit seinem Anstieg mit Beginn der COVID-19-Pandemie stabil – im Gegensatz zur Nutzung von Online-Gesundheitskursen. Hatten vergangenes Jahr noch 31 Prozent der Befragten angegeben, dass sie solche Kurse nutzen, waren es dieses Jahr nur noch 16 Prozent.

Es gebe „viele Zeichen, dass wir gerade einen Durchbruch erzielen in der Bevölkerung“, erklärte Klaus Hurrelmann, Professor für Public Health and Education an der Hertie School in Berlin und wissenschaftlicher Begleiter der Studie. So würden quer durch die Altersgruppen, speziell die aber unter Älteren, Vorbehalte abnehmen.

Allerding zeige sich auch ein zunehmendes soziales Gefälle bei der Nutzung: Die Bürger würden mit dem stetig wachsenden und fragmentierten Markt aus hunderten Apps und Start-ups alleingelassen. Eine Folge sei, dass Menschen mit höherem Bildungsgrad und Einkommen deutlich häufiger digitale Gesundheitsanwendungen nutzten als Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad und Einkommen.

So gaben beispielsweise 20 Prozent der Personen mit Abitur oder Studium an, Online-Arztsprechstunden zu nutzen. Von den Personen mit Hauptschulabschluss waren es nur 11 Prozent. Quer durch alle Anwendungen von Diagnostik bis Telemedizin gab außerdem jeder dritte Befragte an, diese Leistungen ohne Erstattung aus eigener Tasche zu zahlen – auch das trage zum sozialen Gefälle bei.

„Der Bürger ist alleingelassen und wir erkennen, dass sozioökonomisch Bessergestellte hier stärker vertreten sind“, kritisierte Schachinger. Die Gesundheitspolitik akzeptiere also nicht nur einen Flickenteppich aus Anbietern, sondern auch eine Versorgungsungleichheit.

„Die deutsche Bevölkerung ist bereit für E-Health, aber die Politik liefert nicht“, klagte auch Hurrelmann. „Wenn das so weitergeht, zeichnet sich der Ausverkauf der gesundheitlichen Vitaldaten der Bevölkerung in Deutschland ins Ausland ab.“

Schon heute werde deshalb der Einfluss vor allem amerikanische Internetkonzerne wie Google und Amazon immer stärker, weil sie sich über ihre Angebote Zugriff auf die Vitaldaten verschaffen und sich zusätzlich in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und der Gesundheitsversicherung einkaufen, warnte er.

lau

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung