ECDC: 2. Booster nur für Länder mit hoher Impfquote sinnvoll

Stockholm – Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) empfiehlt allen Ländern, in denen mindestens 40 % der Bevölkerung einen 1. Booster erhalten haben, zu einer möglichst raschen 2. Auffrischung in der Altersgruppe ab 60 Jahren sowie bei jüngeren Menschen mit Immunschwächen. Bei einer niedrigeren Impfquote sollte zunächst die 1. Boosterung gefördert werden.
Das ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) rechnet damit, dass die neuen Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 von SARS-CoV-2 sich bis Ende diesen Monats in ganz Europa durchsetzen werden.
Die Varianten waren zunächst in Portugal aufgetaucht, wo die Erkrankungszahlen bereits wieder sinken. In den anderen Ländern steigen die Erkrankungszahlen derzeit in 23 der 27 Mitgliedsländern von EU/EAA, aus denen Zahlen vorliegen, auch bei den über 65-Jährigen. In dieser Altersgruppe verläuft COVID-19 auch bei den derzeitigen Varianten häufiger schwerwiegend.
Tatsächlich wird laut ECDC aus 12 Ländern ein steigender Trend bei Einweisungen/Belegungen in Krankenhäuser oder Intensivstationen im Vergleich zur Vorwoche gemeldet. Die Sterberate sei in den letzten 5 Wochen zwar stabil geblieben. Bis zum Ende des Monats könnte es nach Einschätzung der ECDC jedoch auch hier zu einem Anstieg kommen.
Ein Grund ist der Rückgang des Immunschutzes, der wenige Wochen nach der Impfung einsetzt und nach etwa 6 Monaten weitgehend verloren gegangen ist. Dies gilt auch nach einer Boosterung.
Einen 1. Booster haben in EU/EAA 52,9 % der Bevölkerung erhalten. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen sind es 83,1 %. In dieser Situation ist nach Ansicht der ECDC ein 2. Booster sinnvoll, den bereits 16,5 Mio. Menschen in 21 Ländern erhalten haben.
Überwiegend sind dies Personen im Alter von über 60 bis über 80 Jahren, für die derzeit ein 2. Booster in 20 Ländern empfohlen wird. Bisher haben 11,6 % der über 60-Jährigen diese 2. Auffrischung erhalten, wobei die Bandbreite in den einzelnen Ländern von weniger als 0,1 % bis 59,9 % reicht.
Der 2. Booster stellt nach derzeitiger Datenlage den Impfschutz vor schweren Erkrankungen wieder her, wobei die Schutzwirkung mindesten 10 Wochen andauern kann. Über einen längeren Zeitraum gibt es noch keine Daten. Es gibt nach Information der ECDC jedoch nur begrenzte Daten zur Impfstoffwirksamkeit gegen die aktuellen Varianten BA.4 und BA.5.
Eine vorläufige Analyse aus Portugal lege nahe, dass die Impfstoffwirksamkeit gegen BA.5 im Vergleich zu BA.2 vermindert sein könnte. Daten aus Südafrika würden aber darauf hinweisen, dass eine Schutzwirkung gegen eine schwere Erkrankung aufrechterhalten bleibt.
Die ECDC hat Modellberechnungen zum Einfluss einer 2. Boosterung der 60-Jährigen auf das weitere Infektionsgeschehen durchführen lassen. Die Ergebnisse fallen je nach bereits erreichter Impfquote unterschiedlich aus.
In Ländern, in denen mehr als 40 % der Bevölkerung den 1. Booster erhalten haben, könnte eine Impfkampagne, die 75 % der über 60-Jährigen erreicht, die Hospitalisierungsrate bis Anfang November absolut um 17 % (95-%-Konfidenzintervall 6-34 %) senken.
In den Ländern, in denen weniger als 40 % die 1. Boosterung erhalten haben, würde die Hospitalisierungsrate nur um 5 % (1-24 %) sinken. In diesen Ländern rät die ECDC dazu, die Impflücke der 1. Boosterung zu schließen.
Wenn die Impfquote hier bis Oktober auf 50 % bei den 18- bis 59-Jährigen und auf 75 % bei den über 60-Jährigen gesteigert werde, könnte die Hospitalisierungsrate wegen COVID-19 um absolut 16 % (10-41 %) gesenkt werden.
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