Medizin

ECMO-Überlebende haben häufiger mentale Störungen

  • Donnerstag, 27. Oktober 2022
/Vadim, stock.adobe.com
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Ottawa/Kanada – Eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), der eine zunehmende Zahl von Patien­ten ihr Überleben verdankt, gehört zu den am meisten belastenden Behand­lungen auf einer Intensivstation. Laut einer Beobachtungsstudie im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2022; DOI: 10.1001/jama.2022.17714) leiden die Patienten später häufiger unter psychischen Erkrankungen als andere Intensivpatienten.

Eine ECMO ist für Patienten mit einem Lungenversagen, etwa durch COVID-19, oder einem kardiogenen Schock häufig die einzige Überlebenschance. Obwohl die ECMO-Maschine die Herz- und Lungenfunktion vollständig übernehmen kann, überlebt nur etwa die Hälfte der Patienten.

Hinzu kommt, dass die Behandlung oft mit schweren Komplikationen verbunden ist, dazu gehören Blutungen, Ischämien und neurologische Probleme, von denen sich viele Patienten bei der Entlassung aus der Klinik noch nicht erholt haben.

Ein Team um Shannon Fernando von der Universität Ottawa hat jetzt untersucht, ob ECMO-Patienten in den ersten Jahren nach der Entlassung häufiger wegen psychischer Erkrankungen behandelt werden. Diese Ana­lyse ist in der Provinz Ontario leicht möglich, da der Staat die Behandlungskosten aller Einwohner über­nimmt.

Die Epidemiologen haben die Daten von 642 ECMO-Überlebenden und 3.820 anderen Patienten verglichen, die ebenfalls auf Intensivstation behandelt wurden, aber keine ECMO erhalten hatten. Für die „Propensity Score“-Analyse waren nur Kontrollpersonen ausgewählt worden, die den ECMO-Patienten in Alter, Geschlecht, psychischer Vorgeschichte, Schweregrad der kritischen Erkrankung und Krankenhausaufenthaltsdauer glichen.

Ergebnis: Die ehemaligen ECMO-Patienten wurden während einer Nachbeobachtungszeit von 3,8 Jahren (1.390 Tage) häufiger wegen mentaler Störungen behandelt. Die Inzidenz neuer psychischer Erkrankungen betrug 22,1 pro 100 Personenjahre gegenüber 14,5 pro 100 Personenjahre in der Kontrollgruppe. Fernando ermittelt eine adjustierte Hazard Ratio von 1,24, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,01 bis 1,52 signifikant war.

Angesichts der körperlichen Strapazen, die mit einer ECMO einhergehen, erscheint dies ein verhältnismäßig geringer Anstieg zu sein. Dennoch stellt sich die Frage nach den Ursachen. Mögliche Erklärungen wären die Hypoxämien, Schockzustände und die damit verbundene verminderte Sauerstoffzufuhr, von denen ECMO-Patienten häufiger betroffen sind.

Auch die Sedation, die bei der Behandlung erforderlich ist, steht im Verdacht, langfristig das Risiko von psychischen Erkrankungen zu erhöhen, was jedoch eine unbelegte Vermutung ist.

Auffällig war, dass in beiden Gruppen fast die Hälfte der Patienten in den 5 Jahren vor der Behandlung we­nigs­tens einmal in psychiatrischer Behandlung waren. In einer Regressions­analyse waren vorbestehende psychische Gesundheitsdiagnosen (Hazard Ratio 2,39; 1,78-3,20) und ambulante Behandlungen in der Psy­chiatrie im Jahr vor der ECMO-Behandlung (Hazard Ratio 1,82; 1,25-2,65) die einzigen erkennbaren Risiko­faktoren für mentale Erkrankungen nach der ECMO-Behandlung. Ein erhöhtes Risiko bestand allerdings auch für Patienten, die keine psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte hatten.

rme

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