Eine dem Genotyp angepasste Therapie verbessert das Überleben bei metastasierten Adenokarzinomen der Lunge
Köln. In der Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Meist ausgehend von größeren Krebszentren und vernetzten wissenschaftlichen Institutionen wird nach molekularen Veränderungen gesucht, die Angriffspunkte für zielgerichtete Medikamente sein können, auch wenn die Substanzen teilweise noch in früher klinischer Prüfung sind oder bei anderen Tumorentitäten getestet werden.
Das US-amerikanische Lung Cancer Mutation Consortium hat an 14 onkologischen Schwerpunkt- und Exzellenzzentren mit Hilfe von Multiplex-Tests bioptisches Material auf zehn für das Tumorwachstum maßgebliche „Treibergene“ untersucht. Die Frage war, wie häufig mindestens eine dieser onkogenen „Treiber“ vorkommt und ob sich das Überleben durch eine dem Genotyp angepasste Therapie verbessern lässt (JAMA 2014; 311 (19):1998-2006.doi:10.1001/jama.2014.3741).
Zwischen 2009 und 2012 wurden Gewebeproben von 1.007 Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom der Lunge auf mindestens eine der 10 „Treibergene“ analysiert und Tumoren von 733 Patienten auf alle zehn Gene. Bei 64 Prozent von ihnen identifizierten die Forscher mindestens ein „Treibergen“: am häufigsten spezifische Änderungen in den Genen KRAS (25 Prozent), EGFR (17 Prozent) und so genannte ALK-Genrearrangements (8 Prozent). Zwei und mehr onkogene „Treiberalterationen“ fanden sich bei drei Prozent der Tumoren.
Bei den 260 Patienten, bei denen eine den -„Treiberalterationen“ entsprechende Therapie erfolgt war, betrug das mediane Überleben 3,5 Jahre im Vergleich zu median 2,4 Jahren bei Patienten mit „Treibermuationen“ im Tumor aber ohne eine dem Genotyp angepasste Therapie (n = 318). Der Unterschied war statistisch signifikant (p= 0,006).
Eine auf Multiplex-Tests basierende Genotypisierung von Lungenkarzinomen ist in der Praxis umsetzbar und finanzierbar, so das Fazit der Autoren. Die Methode sei praktikabel, um Patienten für die zielgerichtete Therapie zu stratifizieren. Die Daten zum Überleben müssten durch randomisierte, prospektive Studien überprüft werden.
Auch in Deutschland gibt es ein Projekt mit Modellcharakter: Das Netzwerk Genomische Medizin, das gemeinsam mit gesetzlichen Krankenversicherungen neue zielgerichtete Therapien in die Regelversorgung bringen möchte. Durch die Allianz einer Krankenkasse (AOK Rheinland/Hamburg) mit dem Netzwerk Genomische Medizin der Universität Köln wird es möglich, dass alle bei dieser Krankenkasse versicherten Patienten mit Bronchialkarzinom Zugang zu neuen zielgerichteten Substanzen bekommen.
Das gilt auch für Substanzen, die noch nicht zugelassen, sondern in klinischer Prüfung sind. Voraussetzung ist, dass die behandelnden Ärzte Biopsien vom Tumor an das Netzwerk Genomische Medizin Lungenkarzinom (NGML) am Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) in Köln senden.
Dort wird die Probe am Institut für Pathologie molekularpathologisch untersucht. Danach geben die Ärzte des CIO eine Empfehlung ab, ob und wenn ja mit welchen zielgerichteten Substanzen eine Therapie sinnvoll wäre. Betreut werden die Patienten wohnortnah von niedergelassenen Onkologen oder im Krankenhaus. Das Grundprinzip ist also „zentral testen und dezentral therapieren“.
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