Ärzteschaft

Einsatz von Pubertätsblockern und Hormontherapien stärker abwägen

  • Montag, 13. Mai 2024
/wladimir1804, stock.adobe.com
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Mainz – Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder ebensolche Operationen sollten bei unter 18-jährigen mit Geschlechtsinkongruenz beziehungsweise Geschlechtsdysphorie nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien, unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethikkommission und nach abgeschlossener medizinischer und psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen zugelassen werden. Dazu forderte der Deutsche Ärztetag die Bundesregierung am vergangenen Freitag nach längerer Diskussion auf.

Die Therapieergebnisse sollen über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren soziologisch, medizinisch, kinder- und jugendpsychiatrisch, sozial und psychologisch nachverfolgt werden. Die Evaluationsergebnisse sollen darüber hinaus in die Überarbeitung der Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung“ einfließen, heißt es in dem Beschluss.

Der Ärztetag begründet die Entscheidung damit, dass entsprechende Behandlungen die Symptomatik und psychische Gesundheit bei betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht verbessern würden. Dies mache die aktuelle medizinische Evidenzlage deutlich.

Es handele sich um irreversible Eingriffe in den menschlichen Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen, die für derartige Maßnahmen kein informiertes Einverständnis geben könnten. Dem Be­schluss zufolge beeinflussten die Eingriffe insbesondere bei Minderjährigen in der Entwicklung auch die Psyche.

Die Gabe von Pubertätsblockern und die Durchführung von gegengeschlechtlichen Hormonbehandlungen sei eine Form experimenteller Medizin an Kindern, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in den kindli­chen Körper anschließen würden und den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit sowie die Verminderung sexu­eller Erlebnisfähigkeit und Anorgasmie zur Folge haben könnten, heißt es in dem Beschluss.

Die Sorge um das Kindeswohl müsse bei der bestehenden Evidenzlage zur Behandlung mit entsprechenden Therapien im Vordergrund stehen, beschloss der Deutsche Ärztetag.

Änderung des Geschlechtseintrags nur nach Diagnostik und Beratung

Ohne vorherige fachärztliche kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Beratung sollen unter 18-Jäh­rige nach Ansicht der Delegierten auch keine Angaben zu ihrem Geschlecht und Personenstand im Personen­re­gister vornehmen oder vornehmen lassen. Dies beschloss der Deutsche Ärztetag ebenfalls am vergangenen Freitag. Er forderte die Bundesregierung auf, entsprechende Änderungen am Selbstbestimmungsgesetz vor­zunehmen.

Der Ärztetag kritisiert am Selbstbestimmungsgesetz, dass der Gesetzgeber nur unzureichend zwischen „sub­jek­ti­vem Zugehörigkeitsgefühl“ und dem „faktisch gegebenen“ körperlich-biologischen Geschlecht unter­scheiden würde.

Darüber hinaus sei eine Gleichsetzung von geschlechtsbezogenem Identitätsempfinden und personenstands­rechtlicher Zuordnung im amtlichen Geburtsregister kritisch zu betrachten. Intersexualität würde im Gesetz zudem unzureichend von der Transsexualität abgegrenzt.

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass das Personenstandsrecht nicht das richtige Instrument sei, um die Selbstbestimmung der von Geschlechtsinkongruenz betroffenen Menschen zu gewährleisten, deren Gleichbe­handlung zu fördern und sie vor Diskriminierung im Alltag zu schützen.

nfs

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