Medizin

EMA gibt grünes Licht für Diätpille

  • Freitag, 19. Dezember 2014
Uploaded: 14.06.2012 16:21:41 by mis
dpa

London – Ärzte können demnächst auch in Europa ihren übergewichtigen und adipösen Patienten eine Diätpille verschreiben, die die beiden bekannten Wirkstoffe Naltrexon und Bupropion enthält. Nachdem die US-Arzneibehörde FDA das insgesamt schwach wirkende Mittel im September zugelassen hatte, fiel jetzt bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine positive Vorentscheidung. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) richtete eine Empfehlung an die Europäische Kommission, die in Kürze die Zulassung verkünden dürfte.

Die Gewichtsabnahme ist eigentlich eine Nebenwirkung von Naltrexon und Bupropion, die in den klinischen Studien aufgefallen war. Naltrexon ist ein Antabusum zur Behand­lung der Alkohol- und Opiatabhängigkeit. Bupropion ist ein Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Der Hersteller Orexigen Therapeutics machte den leichten Gewichtsverlust zur erwünschten Wirkung seiner Diätpille, die er in den USA als Contrave und in Europa als Mysimba vermarkten will.

Obwohl die beiden Komponenten bewährte Arzneimittel sind, war die Zulassung kein Selbstläufer. Die FDA hatte 2011 eine Zulassung zunächst abgelehnt und sich dabei über ein Votum seiner externen Gutachter hinweggesetzt, was ansonsten selten vorkommt. Die FDA hatte damals Bedenken, weil Naltrexon den Blutdruck steigert und Bupropion mit der Neigung zu suizidalen Gedanken in Verbindung gebracht wurde. Diese Nebenwirkungen schienen bei ernsthaften Erkrankungen wie Alkohol- und Opiat­abhängigkeit oder Depressionen noch hinnehmbar, nicht jedoch bei einem „kosme­tischen“ Problem wie der Adipositas.

Inzwischen hat sich jedoch auch bei den Zulassungsbehörden die Erkenntnis durch­gesetzt, dass die Adipositas ernsthafte Folgen für die Gesundheit haben kann, insbesondere, wenn sie zusammen mit anderen Risiken wie dem Typ 2-Diabetes auftritt.

Der Hersteller konnte FDA und EMA zudem durch die Ergebnisse von vier klinischen Studien an mehr als 4.500 übergewichtigen und adipösen Patienten überzeugen. Der EMA präsentierte der Hersteller zudem erste Zwischenergebnisse der Light Studie, die die Auswirkung von Mysimba auf Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod bei 8.900 Patienten untersucht.

Wenn die Europäische Kommission nicht noch einen Rückzieher macht, können Ärzte Mysimba demnächst per Rezept allen erwachsenen Patienten verordnen, deren Body-Mass-Index (BMI) auf 30 kg/m2 oder mehr angestiegen ist. Wenn die Patienten weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Typ 2-Diabetes, Hypercholesterinämie oder arterielle Hypertonie aufweisen, ist eine Verordnung bereits ab einem BMI von 27 kg/m2 möglich. Voraussetzung ist, dass die Patienten zu einer begleitenden Diät und Sport bereit sind.

Allzu große Erwartungen sollten die Patienten jedoch nicht haben. In den klinischen Studien verloren die Patienten im Durch­schnitt nur 4,1 Prozent mehr an Körpergewicht als unter Placebo: Insgesamt 41 Prozent schafften eine von Experten als relevant bezeichnete Gewichtsreduktion um wenigstens 5 Prozent.

Mysimba ist nach Orlistat die zweite Diätpille. Der Lipase-Hemmer wurde 1998 zuge­lassen und ist mittlerweile als Generikum erhältlich. Bei den Patienten ist er nicht sehr beliebt, da die Hemmung der Fettverdauung im Darm zu einer vermehrten Flatulenz und zur Steatorrhö führt. Die häufigsten Nebenwirkungen von Mysimba sind Übelkeit, Obstipation, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindelgefühle, Schlafstörungen, trockener Mund und Diarrhö. Die FDA warnt in ihrer Fachinformation zudem vor dem erhöhten Risiko einer Suizidalität.

rme

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