Empagliflozin: Antidiabetikum senkt Herz-Kreislauf-Risiko in Endpunktstudie

Toronto – Der SGLT2-Inhibitor Empagliflozin, der den Blutzucker durch eine gesteigerte Glukose-Ausscheidung über die Niere senkt, ist das erste „neuere“ orale Antidiabetikum, das in einer größeren Studie die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit gesenkt hat. Dabei fiel die langfristige Senkung des HbA1c-Werts eher gering aus, wie die jetzt im New England Journal of Medicine (2015; doi: 10.1056/NEJMoa1504720) publizierten Ergebnisse zeigen.
Der jetzt publizierte EMPA-REG OUTCOME-Trial gehört zu einer Reihe von sogenannten Endpunkt-Studien, die die US-Arzneibehörde FDA 2008 eingefordert hatte. Dies geschah in der Erkenntnis, dass eine Blutzuckersenkung nicht automatisch zu einer Senkung von kardiovaskulären Ereignissen führen muss.
Vorausgegangen war eine – nicht unumstrittene – Meta-Analyse im New England Journal of Medicine, die den Einsatz von Rosiglitazon, damals ein bevorzugter Insulin-Sensitizer, mit einer erhöhten Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung brachte. Im gleichen Jahr wie die FDA Guidance wurde zudem die ACCORD-Studie publiziert, in der zum Entsetzen aller Diabetologen ein intensives Blutzuckermanagement das Sterberisiko erhöhte. Dies wird heute mit dem erhöhten Risiko von Hypoglykämien und den Nebenwirkungen der eingesetzten Wirkstoffe in Verbindung gebracht, die das Körpergewicht erhöht und die Blutfettwerte verschlechtert hatten.
In den letzten Monaten wurden die Ergebnisse der ersten von der FDA eingeforderten Endpunktstudien veröffentlicht. Auch hier waren die Ergebnisse enttäuschend. Zwar kam es anders als in der ACCORD-Studie glücklicherweise nicht zu einem Anstieg der Sterblichkeit. Doch das Ziel, den Endpunkt Herz-Kreislauf-Todesfälle zu senken, wurde weder mit den DPP 4-Inhibitoren Saxagliptin (in der SAVOR-TIMI-Studie), Alogliptin (in der EXAMINE-Studie) oder Sitagliptin (in der TECOS-Studie), noch mit dem GLP1-Agonisten Lixisenatid (in der ELIXA-Studie) erreicht.
Vor diesem Hintergrund ließen die Ergebnisse des EMPA-REG OUTCOME-Trial mit dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin, die jetzt parallel zur Publikation auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes in Stockholm vorgestellt wurden, das Herz der Diabetologen wieder höher schlagen.
An der randomisierten kontrollierten Studie hatten in 42 Ländern 7.020 Patienten mit Typ 2-Diabetes teilgenommen. Die Patienten waren aufgrund ihres erhöhten Risikos auf ein (weiteres) kardiovaskuläres Ereignis ausgesucht worden. Zu den Einschlusskriterien gehörte ein früherer Herzinfarkt, eine dokumentierte Koronarsklerose, ein Schlaganfall oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit.
Dies ließ erwarten, dass ein weiteres kardiovaskuläres Ereignis bevorsteht. Bei 12,1 Prozent der Patienten im Placebo-Arm kam es dann während der medianen Beobachtungszeit von 3,1 Jahren zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem Herz-Kreislauf-Tod. Dieser primäre Endpunkt der Studie trat in den beiden Therapiearmen, in denen die Patienten mit 10 oder 25 mg Empagliflozin behandelt wurden, bei 10,5 Prozent der Patienten auf.
Das Team um Bernard Zinman vom Mount Sinai Hospital in Toronto errechnet eine Hazard-Ratio von 0,86 mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,74 bis 0,99. Die Einnahme des SGLT2-Inhibitors hatte demnach das Endpunktrisiko signifikant um 14 Prozent gesenkt. Die Kaplan-Meier-Überlebenskurven zeigen, dass dieser Unterschied schon relativ früh im Verlauf der Behandlung aufgetreten war.
Der Vorteil von Empagliflozin beruhte jedoch nicht, wie man angesichts der hohen Herzinfarktsterblichkeit von Diabetikern vermuten könnte, auf einer Reduktion der Herzinfarktrate. Die Zahl der nicht-tödlichen Herzinfarkte wurde durch Empagliflozin nicht signifikant gesenkt. Auch bei den Schlaganfällen wurde kein signifikanter Unterschied registriert. Empagliflozin senkte jedoch deutlich die Zahl der Hospitalisierungen, die wegen einer Verschlechterung einer chronischen Herzinsuffizienz notwendig wurden. Dieser Endpunkt wurde von 4,1 auf 2,7 Prozent oder relativ um 35 Prozent gesenkt. Hinzu kam eine Reduktion der kardiovaskulären Todesfälle von 5,9 auf 3,7 Prozent um relativ 38 Prozent. Auch die Gesamtsterblichkeit ging von 8,3 auf 5,7 Prozent um relativ 32 Prozent zurück.
Dieser Rückgang der Gesamtsterblichkeit um fast ein Drittel bedeutet – allerdings nur für Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Ausgangsrisiko – dass 39 Patienten mit Empagliflozin über drei Jahre behandelt werden müssten, um einen Todesfall zu vermeiden. Dies ist eine günstige Number Needed to Treat (NNT), die sich zwischen den beiden Dosierungen (NNT 41 in der 10-mg-Gruppe und 38 in der 25-mg-Gruppe) nicht wesentlich unterschied.
Auch auf die anderen Endpunkte hatte der 2,5-fache Dosisunterschied – soweit erkennbar – keinen signifikanten Einfluss. Bemerkenswert ist zudem, dass die blutzuckersenkende Wirkung von Empagliflozin hinter den Erwartungen zurückblieb. Nach den ersten 12 Wochen konnte Empagliflozin den HbA1c-Wert noch deutlich senken (0,54 Prozentpunkte in der 10-mg-Gruppe und 0,60 Prozentpunkte in der 25-mg-Gruppe). Nach 206 Wochen betrug der Unterschied zum Placebo-Arm nur noch 0,24 beziehungsweise 0,36 Prozentpunkte.
Damit stellt sich die Frage, ob die günstige Wirkung auf die kardiovaskulären Endpunkte allein auf der Senkung des Blutzuckers zurückzuführen ist. Aus dem Appendix der Publikation geht hervor, dass Empagliflozin das Körpergewicht um etwa 2 kg senkte und der Blutdruck um etwa 4/2 mm Hg abnahm. Der HDL-Wert besserte sich leicht. Empagliflozin hatte damit neben dem Blutzucker noch andere kardiovaskuläre Risikofaktoren vermindert.
Eine andere Überlegung ist, dass eine osmotische Wirkung, zu der es infolge der gesteigerten Glukoseausscheidung über die Niere kommt, die Volumenbelastung des Herzens senkt. Dies könnte plausibel erklären, warum die Zahl der Hospitalisierungen infolge einer Herzinsuffizienz im Empagliflozin-Arm niedriger war.
Unabhängig von diesen Überlegungen dürfte die Studie den Stellenwert von SGLT2-Inhibitoren in der Behandlung des Typ 2-Diabetes steigern. Der Hersteller kann darauf hinweisen, dass Empagliflozin neben Metformin das einzige Mittel ist, für das eine Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit belegt ist, was einem kürzlich zugelassenen Kombinationspräparat mit beiden Wirkstoffen zusätzliche Attraktivität verleihen dürfte.
Hinsichtlich der Verträglichkeit gibt es keine „Katastrophen“ zu vermelden. Die Rate der Ketoazidosen, die kürzlich noch Gegenstand einer Drug Safety Communication der FDA waren, lag bei unter einem Prozent. Auch thromboembolische Ereignisse und Knochenbrüche oder ein Volumenmangel traten nicht häufiger auf als im Placebo-Arm.
Auch die Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Nierenfunktion bestätigten sich nicht. Der Anteil der Patienten mit Nierenschäden oder einem akuten Nierenversagen war unter Empagliflozin tendenziell niedriger. Die wichtigste Nebenwirkung bleibt ein erhöhtes Risiko von genitalen Infektionen (6,4 versus 1,8 Prozent, bei Frauen sogar 10,0 versus 2,6 Prozent). Der mit dem Urin ausgeschiedene Zucker ist eine gute Nährlösung für Bakterien.
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