Endokrine Disruptoren trotz Verboten noch immer in der Nahrungskette

Berlin– Endokrin aktive Substanzen – auch als endokrine Disruptoren oder Umwelthormone bezeichnet – müssen strenger reguliert werden. Dafür sprach sich heute die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) aus.
„Endokrin aktive Substanzen wie der Weichmacher Bisphenol A stören hormonelle Vorgänge beim Menschen und bei anderen Lebewesen und sie stehen mit dem Risiko für Erkrankungen wie Krebs, Adipositas und Diabetes in Zusammenhang“, warnte DGE-Präsident Josef Köhrle, Berlin.
Zwar sei bereits 1999 eine EU-Strategie zu endokrin aktiven Substanzen festgelegt worden, aber „diese wurde von der EU-Kommission massiv verschleppt“, berichtete Köhrle. Erst 2018 – und nachdem die EU-Kommission von einigen europäischen Regierungen verklagt worden war– wurden zwei Richtlinien für die Bewertung von Bioziden und Pflanzenschutzmitteln auf endokrine Aktivität verabschiedet.
„Es gibt heute kaum Produkte, die kein Bisphenol A enthalten“, so der DGE-Präsident vom Institut für Experimentelle Endokrinologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. In Babyflaschen sei es zwar mittlerweile verboten, aber „dafür würden jetzt andere Substanzen eingesetzt, die eine ähnliche, teils sogar schlimmere Wirkung hätten.
Umwelthormone weltweit nachweisbar
Einige endokrin aktive Substanzen sind schon seit Jahren verboten, finden sich aber noch immer in der Umwelt und damit in der Nahrungskette. Polychlorierte Biphenyle etwa werden seit Beginn der 1980er-Jahre in vielen Ländern nicht mehr hergestellt, seit 2001 sind sie weltweit verboten.
Trotzdem sind sie noch heute auf der ganzen Welt nachweisbar – auch im menschlichen Körper. Mit Luft- und Wasserströmungen sind sie sogar bis in die Polarregionen gelangt – und dort zum Beispiel im Fettgewebe von Eisbären nachweisbar.
Von mehr als 22.000 in der EU vermarkteten Chemikalien sowie natürlich vorkommenden Substanzen werden mehr als 1.000 als endokrin aktiv eingeschätzt und gegenwärtig untersucht. Dass endokrin aktive Substanzen nicht nur nachteilige Wirkungen auf aquatische und terrestrische Lebewesen in der Umwelt haben, sondern auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen, dafür gibt es mittlerweile zahlreiche Belege.
Deshalb fordert die DGE – wie auch andere endokrinologische Fachgesellschaften weltweit – endokrin aktive Substanzen konsequent aus dem Verkehr zu ziehen – „ebenso wie man es auch bei krebserzeugenden, mutagenen oder keimbahnschädigenden Substanzen macht“, so Köhrle.
Insbesondere sei es nicht sinnvoll, bekannte endokrin aktive Substanzen durch verwandte, aber noch wenig untersuchte Verbindungen zu ersetzen, fuhr der DGE-Experte fort. Auch diese können das Hormonsystem aus der Balance bringen. „Nur wenn Produzenten und Vertreiber nachweisen müssen, dass neue Substanzen nicht endokrin aktiv sind, können gesundheitliche Risiken verhindert werden“, sagte Köhrle.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, müsste zunächst die einheitliche Definition der WHO für endokrin aktive Substanzen konsequent angewendet und in den noch unterschiedlichen Prüfverfahren für neue Substanzen EU-weit einheitlich umgesetzt werden, fordert Köhrle. Das sei bislang noch nicht der Fall.
Weitere Forderungen der Endokrinologen beziehen sich auf die Verbesserung und konsequente Anwendung der Informations-, Kennzeichnungs- und Meldepflicht für endokrin aktive Substanzen, die Intensivierung und Förderung der Forschung und die Entwicklung von Testmethoden zum schnelleren und sicheren Nachweis der Wirkung von endokrin aktiven Substanzen.
„Wir müssen erreichen, dass nicht wie bisher erst nach dem Auftreten von Gesundheitsschäden reagiert wird“, sagte Köhrle, „sondern dass das in der EU geltende Vorsorgeprinzip auch auf endokrin aktive Substanzen konsequent angewendet wird.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: