Erdbeeren als Auslöser
Bei der letztjährigen EHEC-Epidemie vergingen noch mehrere bange Wochen, bis – nach einem für Gurkenproduzenten in Spanien verhängnisvollen Fehlalarm – der Verursacher gefunden war. Dieses Mal dauerte es nur knapp eine Woche, bis die „sehr wahrscheinliche“ Ursache für den Ausbruch von akutem Brechdurchfall ermittelt wurde, an dem bisher 11.200 Kinder aus den östlichen Bundesländern erkrankt sind.
Wie im letzten Jahr wurden Fall-Kontroll-Studien durchgeführt, in denen die Speisepläne von erkrankten und nicht erkrankten Kindern verglichen wurden. In diesem Jahr wurde das Instrument, das nach einigen Fehlversuchen bei der letztjährigen EHEC-Epidemie doch zum Ziel geführt hat, rasch und konsequent eingesetzt. In einer Studie wurden die Schüler zeitgemäß per Email befragt.
Die Fall-Kontroll-Studie verglich den Speiseplan von erkrankten und nicht erkrankten Kindern. Da in einigen Orten mehrere Menüs angeboten wurden, fiel der Verdacht schnell auf einen Erdbeerkompott, der nur einigen Kindern serviert worden war.
Die Odds Ratios der Untersuchungen lagen schnell in einem Bereich, der kaum Zweifel zuließ. Der Nachtisch war von verschiedenen Küchen hergestellt worden, doch alle hatten tiefgefrorene Erdbeeren desselben Großhändlers verwendet. Der letzte Beweis fehlt noch. Die verdächtigen Noroviren wurden bisher nicht in den Lebensmittel- und Umgebungsproben gefunden.
Dennoch ist der Fall symptomatisch für die industrielle Nahrungsmittelproduktion. Preisdruck und Rationalisierung führen dazu, dass an immer weniger Orten Essen für eine steigende Zahl von Personen hergestellt werden. Dies kann auf der einen Seite die Lebensmittelsicherheit erhöhen, da sich Großküchen leichter und wirtschaftlicher kontrollieren lassen als lokale Kleinküchen.
Niemand kann exakt sagen, wie häufig in Kinderkrippen, die sich selbst bekochen, Lebensmittelvergiftungen auftreten. Bei Großbetrieben besteht aber immer die Gefahr, dass kontaminierte Produkte „durchrutschen“. Scheinbar harmlose Kleinigkeiten wie die quantitativ sicherlich nebensächlichen Tiefkühlerdbeeren können gleichzeitig Tausende von Konsumenten schädigen (wobei Norovirusinfektionen in der Regel milde verlaufen).
Ein anderer Aspekt ist sicherlich der internationale Handel, der im Fall von Tiefkühlprodukten nicht nur wegen der langen Transportwege das Risiko erhöht. Es lässt sich auch schwer zu kontrollieren, ob in den Anbauländern Standards eingehalten werden. Dies trifft nicht nur auf Lebensmittel zu, sondern auch auf Medikamenten, wie die Affäre um „gefälschte“ Heparine vor einigen Jahren zeigte. Die Globalisierung hat mehr Bereiche des täglichen Lebens ergriffen, als die meisten Menschen ahnen.
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