Erneut Streit um Zusatznutzen neuer Medikamente
Berlin – Rund jedes dritte neue Medikament hat bei der frühen Nutzenbewertung einen Zusatznutzen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bescheinigt bekommen. Von knapp 130 überprüften Präparaten hatten 44 einen klar nachweisbaren Zusatznutzen. Das geht aus einer Erhebung aktueller Zahlen des GKV-Spitzenverbands (GKV-SV) hervor. 41 der Arzneimittel brachten laut GKV-SV keine Vorteile gegenüber bekannten Therapien. Bei den übrigen Präparaten war der Zusatznutzen entweder nicht quantifizierbar oder er wurde nur für einen Teil der Patienten anerkannt. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten zuerst über die neuen Zahlen berichtet.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) nannte die Zahlen heute „irreführend und falsch“. Bei mehr als 70 Prozent der Patienten, für die der G-BA keinen Zusatznutzen belegt sehe, sei dies „aus rein formalen Gründen“ so entschieden worden, erklärte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Über den therapeutischen Stellenwert des Medikaments für einen einzelnen Patienten sage diese Beurteilung nichts aus.
Die Krankenkassen beklagen seit Längerem, dass häufig neue Arzneimittel verordnet würden, obwohl diese gegenüber herkömmlichen Präparaten kaum einen Zusatznutzen hätten. Sie fordern darüber hinaus, dass der ausgehandelte Preis für ein neues Medikament nicht erst nach einem Jahr, sondern bereits vom ersten Tag der Zulassung an gelten soll. „Wir zahlen leider manchmal Mondpreise – und das nicht nur bei Krebsmitteln, bei denen sich die Preise nicht immer am Nutzen und Innovationsgrad der Medikamente orientieren“, kritisierte der neue Vorstandschef der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, heute in der Süddeutschen Zeitung.
Storm zufolge können bestimmte Mittel „mehrere zehntausend Euro für die Behandlung eines Patienten kosten“. Auch das geplante Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung ändere „leider so gut wie nichts“. Wenn eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro überschritten wird, soll künftig der ausgehandelte niedrigere Erstattungsbetrag rückwirkend gelten. Diese geplante Umsatzschwelle hält Storm für viel zu hoch. 2015 wären nur drei Medikamente davon überhaupt betroffen gewesen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte der Funke-Mediengruppe, die geplanten Neuregelungen wie die Umsatzschwelle trügen dazu bei, dass die Patienten einerseits schnellen Zugang zu neuen hochwertigen Arzneimitteln bekämen und andererseits „unser Gesundheitswesen nachhaltig finanzierbar bleibt“.
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